Angstpartie - Thriller
bereits fünf Stunden später war - Joanne war gerade eingeschlafen. Danach ging er zu einem frühen Abendessen ins Hotelrestaurant. Er bekam ein zu lange gebratenes Steak und trank ein Glas kalifornischen Cabernet. Dann legte er sich in seinem Zimmer auf eines der großen Doppelbetten und zappte durch eine schwindelerregende Zahl von Fernsehsendern.
Amüsiert dachte er daran, dass in diesem großzügigen Quartier die gesamte Familie Wetherby Platz gefunden hätte. Als die Kinder noch kleiner waren, hatten sie bei ihren gemeinsamen Trekkingreisen in Europa oft in deutlich beengteren Verhältnissen genächtigt. Sie hatten ihre Söhne schon früh mit zum Wandern genommen, und Charles erinnerte sich lächelnd daran, wie die damals noch kerngesunde Joanne während ihrer Tour in den Hügeln der Toskana oder den Pyrenäen alle überholt hatte. Inzwischen,
dachte er traurig, war sie schon nach zwanzig Minuten leichter Gartenarbeit völlig außer Puste.
Am Morgen machte sich Charles auf die kurze Fahrt nach Langley. Er hielt an der Sicherheitskontrolle und parkte den Mietwagen auf dem ihm zugewiesenen Platz in der Nähe des Hauptgebäudes. Der Leiter der Spionageabwehrabteilung hieß Tyrus Oakes. Er war ein altgedienter CIA-Veteran, in der Öffentlichkeit kaum bekannt, doch in Langley so etwas wie eine Legende. Zu seinen zahlreichen Eigenheiten gehörte, dass er sich sogar bei eher unwichtigen Besprechungen seitenweise Notizen machte. Dazu verwendete er die gelben Schreibblöcke, auf denen amerikanische Anwälte vor Anbruch des Computerzeitalters ihre Schriftsätze konzipiert hatten.
Oakes war auch rein äußerlich ungewöhnlich - ein kleiner, schmächtiger Mann mit einer schmalen Nase und gewaltigen Ohren, die von seinem Kopf abstanden wie Satellitenschüsseln. Seine Freunde, zumeist ebenfalls hochrangige CIA-Angehörige, nannten ihn Ty. Für diejenigen, die ihn nur vom Hörensagen kannten, war er The Bird - der Vogel.
Im Lauf der Jahre hatte Wetherby gelernt, dass die überaus unterschiedlichen Reaktionen, die er von Oakes erhielt, nichts mit seiner Position als Geheimdienstmitarbeiter aus dem Ausland zu tun hatten. Sie richteten sich vielmehr danach, inwieweit Oakes seine Meinung im jeweiligen Fall teilte. Was das bevorstehende Gespräch betraf, hatte Charles gewisse Bedenken: Oakes würde über das, was er zu sagen hatte, sicher alles andere als glücklich sein.
»Schön Sie zu sehen, Charles.« Oakes kam hinter seinem Schreibtisch hervor.
»Ganz meinerseits, Ty.«
»Setzen Sie sich.« Oakes deutete auf den Sessel vor dem Schreibtisch. Er selbst nahm wieder dahinter Platz. Dann sagte er: »Die Angelegenheit muss wichtig sein. Sonst wären Sie nicht extra hergeflogen.«
»Ja. Ich glaube, wir haben ein ernstes Problem.«
Wetherby skizzierte die Ereignisse so knapp wie möglich. Oakes schob bald den gelben Schreibblock beiseite und fischte ein kleines Spiralbuch aus seiner Tasche. Er machte sich in seiner winzigen Schrift Notizen, schrieb schnell und hob nur gelegentlich den Blick.
Wenigstens hackt er noch nicht auf einem Laptop herum, dachte Wetherby, während er von den an Fane weitergeleiteten Informationen eines gewissen Jaghir erzählte, wonach zwei unberechenbare Individuen die syrischen Interessen gefährdeten, indem sie drohten, die bevorstehenden Friedensgespräche zu sabotieren.
Oakes Augen weiteten sich und wurden noch größer, als Charles ihm sagte, dass auf eine seiner Mitarbeiterinnen ein Anschlag verübt worden sei. Einen Moment lang hörte Oakes auf, zu schreiben, dann senkte er wieder den Kopf und kritzelte angestrengt weiter. Erst als Wetherby erzählte, dass Jaghir vor einer Woche auf Zypern getötet worden war, legte er den Stift beiseite.
Wetherby fuhr fort: »Aber richtig schwierig wird es erst jetzt: Die Informationen über die Bedrohung der Konferenz wurden sehr vertraulich behandelt. Beim MI5 war nur eine Handvoll Mitarbeiter eingeweiht. Geoffrey Fane teilte mir mit, dass auf seiner Seite der Themse ebenfalls nur die wenigen mit dem Fall betrauten Leute Bescheid wussten. Doch der Angriff auf meine Mitarbeiterin und der Mord an Jaghir kurz danach deuten stark darauf hin, dass es ein Leck gibt. Dieselben Informationen, die uns zur Verfügung stehen, gingen übrigens auch an zwei Ihrer Leute am Grosvenor Square.«
Oakes blickte auf, sagte aber nichts.
»Ich möchte nichts unterstellen, ich beschreibe nur die Tatsachen. Und Sie werden sicher verstehen, dass wir uns genau mit der
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