Angstpartie - Thriller
lächelte und eilte davon.
Liz hatte eigentlich diagonal über den Platz und dann am Parlament entlanggehen wollen. Doch jetzt marschierte sie spontan an der Vorderseite von Westminster Abbey vorbei und dann durch den Bogen in den großen Innenhof der Westminster School. Auf dem Rasen warf sich eine Gruppe Fünfzehnjähriger in Schuluniformen lässig einen
Ball zu. Für Liz hatte die Szene etwas provozierend Versnobtes - etwas, was sie nicht ganz verstand und auch nicht mochte.
Mit dem Gefühl, völlig fehl am Platz zu sein, durchquerte sie den Hof und trat auf der anderen Seite hinaus in ein sonnenbeschienenes Labyrinth aus Gebäuden des achtzehnten Jahrhunderts. Sie ging bis zu dem schmalen, keilförmigen Park beim House of Lords, in dem die Mitglieder des Oberhauses und die Parlamentsabgeordneten gelegentlich frische Luft schnappten. Dabei dachte sie an den bedrückenden Nachmittag, an dem sie zusammen mit Charles Wetherby auf einer der Bänke gesessen und versucht hatte, ihm ruhig und sachlich von dem zu berichten, was sie entdeckt hatte. Es war genau das geschehen, was er am meisten fürchtete - es gab einen Verräter in den eigenen Reihen. Er hatte die Nachricht äußerlich gefasst aufgenommen, doch sie hatte gespürt, wie erschüttert er war.
Während sie noch über vergangene Tage nachsann, hielt plötzlich ein Auto neben ihr - ein Mercedes 450 Cabriolet. In diesen schnittigen silbernen Wagen mit dem ketchupfarbenen Verdeck hatte sie Bruno Mackay auf der Horseguards Parade steigen sehen.
Die Scheibe auf der Beifahrerseite glitt nach unten, und der Fahrer beugte sich zu dem Fenster herüber.
»Kann ich Sie ein Stück mitnehmen?«, rief er.
»Nein danke«, antwortete Liz so unbekümmert wie möglich. Aus Erfahrung wusste sie, dass man diesen Mann am besten von Anfang an in die Schranken wies.
»Kommen Sie, Liz, stellen Sie sich nicht so an. Ich fahre genau in Ihre Richtung.«
»Ich möchte aber gern zu Fuß gehen, Bruno«, erklärte sie. Hinter ihm hupte ein Lieferwagen, weil das Cabrio den Weg versperrte. »Fahren Sie weiter, sonst verhaftet man Sie noch.«
Er zuckte mit den Achseln. »Wie Sie wollen. Aber glauben Sie nicht, mir sei entgangen, dass Sie mit dem Feind konspirieren«, sagte er mit der gespielten Strenge eines Schuldirektors.
»Blödsinn«, gab Liz zurück. Sie war versucht, ein härteres Wort zu benutzen. »Miles Brookhaven ist kein Feind. Er und ich haben eine ganz spezielle Beziehung.« Damit ließ sie Bruno mit dem befriedigenden Gefühl zurück, dass nun ausnahmsweise einmal ihm die Worte fehlten.
3
An diesem Morgen hoffte Reverend Thomas Willoughby auf Regen. Ein paar Wochen zuvor, während des Hochwassers im Mai, hatte er nie wieder einen Tropfen sehen wollen. Aber jetzt im Spätsommer war das Gras verfilzt und trocken und gelb von der anhaltenden Hitze und Dürre. Der knorrige alte Apfelbaum im Kirchhof litt unter dem Wassermangel, und um den Teppich aus verschrumpeltem Fallobst surrten Wespen.
Damals, bei seinem Wechsel aus der Dorfpfarrei in Norfolk nach St. Barnabas am Rande der City of London, hatte Willoughby das Schlimmste befürchtet: Verkehrschaos, Lärm, Stadtstreicher und eine nur an weltlichen Maßstäben orientierte Kultur, die sich nicht um Glaubensdinge scherte. Doch St. Barnabas hatte ihn überrascht. Die Kirche hatte sich inmitten der schnelllebigen Stadt für ihn als wahres Refugium erwiesen.Von einem unbekannten Schüler Hawksmoors errichtet, war das Gebäude von derselben barocken Anmut, als hätte es der bekannte Baumeister selbst geplant - es hatte sogar den für ihn charakteristischen großen
Turm. Die Kirche lag nur einen Steinwurf vom geschäftigen ehemaligen Smithfield Fleischmarkt und von den hoch aufragenden Stahl- und Glaspalästen des großen Finanzzentrums in der Old Broad St entfernt.
Und doch erschien St. Barnabas auf keinem Touristenstadtplan. Nur hin und wieder verirrten sich Barockliebhaber hierher, die sich beflissen durch dicke Architekturführer arbeiteten. Die Kirche war fast gewollt unauffällig, verbarg sich am Ende einer schmalen Seitenstraße voller Gebäude aus dem achtzehnten Jahrhundert, die noch nicht luxussaniert worden waren. »Man könnte meinen, hier sei die Zeit stehen geblieben«, hatte ihm sein Vorgänger bei Willoughbys erstem Besuch gesagt und dabei auf den kleinen Friedhof gezeigt. »Der ist schon seit viktorianischen Zeiten voll belegt. Begräbnisse werden Sie also nicht abhalten müssen.«
Wie alle Stadtkirchen war
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