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Angstspiel

Titel: Angstspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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fällt auf meinen Arm.
    »Ich habe mich halt so erschrocken vorhin. Du und das ganze Blut. Die Scherben. Wie du dann dalagst.«

    Ich nehme sie in den Arm - so gut das im Liegen geht.
    Als sie draußen ist, bin ich fast ein bisschen erleichtert. Ich war gerade einfach zu nah dran, ihr ein bisschen was von der Wahrheit zu erzählen.
     
    Hätte ich es direkt gesagt. Direkt als alles anfing - es wäre ein Nebensatz nur gewesen. Wieso habe ich nicht mal von Kaktus erzählt, als der Gedanke an ihn sich noch gut anfühlte? Da war er eine reale Person. Jetzt ist da der Unbekannte. Und natürlich wird das meinen Eltern total bekannt vorkommen. Jetzt sind da schon so viele Fragen. Ich müsste so viel erzählen, ein Stück zurück in die Vergangenheit gehen und erklären, damit sie mir glauben. Dabei rede ich nicht gerne. Wahrscheinlich bin ich deswegen in den verdammten Chatroom gegangen. Weil man da reden kann, ohne angeguckt zu werden. Ich konnte mit hektischen Flecken oder ganz zittrig vor dem Computer sitzen und keiner hat mich ausgelacht. Ich habe sofort gefühlt, dass das meine Welt ist. Alleine und doch mit Menschen zusammen. Wenn ich genug Worte gewechselt hatte, habe ich oft einfach nur zugehört. Also mitgelesen. Die ganzen flapsigen Kommentare, die Diskussionen, die vorsichtigen Annäherungen. Keiner konnte mich zwingen mitzumachen. Wenn ich nicht mehr wollte, habe ich einfach ein »CU« eingehackt und mich ausgeloggt. Fertig. Keine Nachfragen, keine komischen Blicke, kein blöder Kommentar.
     
    Von rechts wird mir eine große Flipstüte hingehalten.
    »Willste was?«
    Ich habe das Mädchen neben mir noch gar nicht wahrgenommen. Ich winke ab. »Danke. Lass mal.«
    »Ich habe auch Schoko. Oder willst du ein Bier?«
    »Nee, echt nicht.«

    Sie wendet sich wieder dem Fernseher zu, der von der Wand gegenüber Licht gegen unsere Betten flackert.
    »Warum bist du hier?« Das Mädchen will offenbar trotz der Kopfhörer auf den Ohren eine Unterhaltung mit mir führen.
    »Habe mich geschnitten.«
    Sie guckt auf meinen Verband und dann eine Spur zu lang und unverblümt in mein Gesicht und grinst leicht.
    Ich will nicht wissen, warum sie hier ist, und frage sie auch nicht.
    Wir starren beide wieder den Fernseher an.
     
    Irgendwann gehen meine Gedanken auf ihre eigene Reise. Ich träume, vor der Tür würde ein Aufpasser sitzen. So wie in Filmen, wenn jemand ganz Wichtiges im Krankenhaus liegt. Ein Popstar oder ein Kronzeuge gegen die Mafia oder so. Dann sitzen da immer stiernackige Männer auf winzigen Stühlen und passen auf. So einen Aufpasser träume ich mir her. Und weil ich auch gar kein Handy und keinen Computer mithabe, könnte mir hier auch nichts passieren. Keine grausamen SMS würden mich erreichen. Alle E-Mails würden ungelesen in meinem Postfach vergammeln. Und wenn wieder einmal irgendwo im Netz auf einem Urlaubsfoto von mir das Bikini-Oberteil wegretuschiert wird - mir doch egal. Ich sehe es nicht, ich weiß es nicht und ich sehe auch niemanden, der es weiß. So einfach wäre das. Ich fühle mich wie in einem Kokon. Selbst das Knistern der Flipstüte neben mir stört mich nicht. Im Gegenteil. Das ist ein so schön unschuldiges Geräusch. Das passt gut in mein kleines Traumtheater.

2
    A ls ich wach werde, läuft der Fernseher schon wieder. Vielleicht auch immer noch. Das Mädchen im Bett nebenan schiebt Maoams in sich rein und starrt auf den Bildschirm. Alle paar Minuten nimmt sie einen Schluck aus einer Anderthalb-Liter-Flasche Cola light. Würde mich nicht wundern, wenn die wegen einer ausgewachsenen Essstörung hier ist. Ich bemühe mich, nicht richtig wach zu werden. Mir das behütete Gefühl aus meinem Traum zu bewahren. Nicht an gestern Abend zu denken. An den Moment, als meine Hand durch die Fensterscheibe glitt. An die Angst, die mir wie eine Ohrfeige ins Gesicht klatschte. Ich habe neulich in einem Buch den Satz gelesen: »Die Angst kroch in ihr Herz.« Meine Angst kriecht schon lange nicht mehr. Meine Angst springt mich an, presst mir die Luft aus der Lunge, zieht mir die Füße weg, schlägt mir ins Gesicht. Habe ich jetzt drei oder vier Minuten nicht an ihn gedacht? Wie viele Sekunden konnte ich die Illusion aufrechterhalten, alles sei in Ordnung. Ich sei ein ganz normales sechzehnjähriges Mädchen mit den üblichen Problemen wie Pickeln, nervigen Eltern und chronischem Geldmangel. Wenn ich jetzt zurück in mein Leben davor könnte, ich würde sogar fiese Akne in Kauf nehmen. Könnte ich jetzt

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