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AnidA - Trilogie (komplett)

AnidA - Trilogie (komplett)

Titel: AnidA - Trilogie (komplett) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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stadtgroße Baumkrone in ihr Netz einzuhüllen. Und überall, in dem Netz und in den Ästen, glommen nun nach und nach winzige Lichter auf, bis der Baum geschmückt war wie ein Geburtstagskuchen.
    Dix humpelte an meine Seite und stupste mich unsanft an. »Was glotzt du so?«, fragte er. »Hast du noch nie einen Baum gesehen?«
    »Noch nie einen, der eine ganze Stadt ist«, erwiderte ich staunend.
    Dix blickte mit zusammengekniffenen Augen zu dem Baum auf und stöhnte. »Müssen wir da etwa rauf?«
    »Richtig.« Ylenia war lautlos neben uns getreten. »Es gibt Stallungen in den Wurzeln, in denen wir unsere Tiere lassen können. Kommt bitte mit.«
    Wir führten unsere Pferde die verschlungenen Pfade entlang, die sich zwischen den dicken Wurzeln des gigantischen Baumes auf der Lichtung gebildet hatten. Einige dieser graugrünen, bemoosten Ausläufer waren so dick, dass noch nicht einmal ich darüber hinwegschauen konnte. Andere bildeten natürliche Höhlungen, in denen Schafe, Kühe und kühle dunkle Vorratsräume untergebracht waren. Wir ließen unsere Tiere in einem leeren Wurzelstall und wanderten gemächlich hinüber zu dem hoch aufragenden Baum. Dort erwartete uns Mellis, die in der zwitschernden Sprache ihres Volkes mit einer stämmigen, blonden Grennach-Frau sprach. Als sie uns sah, winkte sie uns mit dem rötlich glühenden Stein, den sie in ihrer Hand hielt. Ihre blonde Begleiterin trat einen Schritt vor und neigte respektvoll ihren Kopf vor Tallis, ehe sie Ylenia und dann uns andere mit festem Handschlag begrüßte. Ich registrierte mit Befremden, dass sie Dix zwar ebenso freundlich anlächelte wie mich, ihm aber nicht ihre Hand reichte.
    »Wir fühlen geehrt«, sagte sie mit einem weichen, singenden Akzent. »Freundinnen der Nestältesten sind gesegnete Gäste. Unser Nest das eurer Mütter ist.« Sie lächelte wieder und wies auf einen geflochtenen Korb, der hinter ihr am Baum hing. »Mellis sagt, ihr wahrscheinlich nicht so gerne selber klettern wollt.«
    Ylenia lachte auf. »Dafür werde ich dir ewig dankbar sein, Mellis.« Sie stieg in den Weidenkorb und winkte uns, ihr zu folgen.
    Die Fahrt in dem schwankenden Aufzug werde ich in diesem Leben nicht mehr vergessen. Es war inzwischen dunkel geworden, und ich war dankbar dafür. Im Hellen diesen Aufstieg zu machen – ich bin nicht ängstlich, aber es gibt Grenzen. Die Seile, an denen der Korb hochgezogen wurde, ächzten und knirschten, und das ganze, erschreckend zart wirkende Geflecht schien sich jeden Moment unter unseren Füßen in seine Bestandteile auflösen zu wollen. Dix stand neben mir, die Augen fest geschlossen, und wenn ich ihn nicht besser gekannt hätte, hätte ich gedacht, er betete.
    Allein Ylenia bewahrte die Ruhe. Sie unterhielt sich gelassen mit der unerschütterlichen Ordensfrau, die zwar eine steinerne Miene bewahrte, aber von dem eisenharten Griff verraten wurde, mit dem sie sich an den Rand des Korbes klammerte.
    Tallis hatte es empört abgelehnt, mit uns das schwankende Gefährt zu besteigen. »Ganz so alt bin ich noch nicht, dass ich den Aufstieg nicht mehr mit meinen eigenen Händen und Füßen schaffen könnte«, hatte sie gesagt und uns mit einem aufgebrachten Schlag ihres Schweifes den Rücken zugekehrt. Mellis und sie hatten uns schon weit hinter sich gelassen, ehe wir auch nur den Weidenkorb bestiegen hatten.
    Als wir nach Stunden – so kam es mir jedenfalls vor – endlich auf einem der untersten Äste ankamen, waren meine Knie so weich wie Butter und mir schwindelte. Ich musste mich einen Moment lang an Ylenia festhalten und durchatmen. Wir standen auf einem bequem breiten Plateau, es bestand also kein sichtbarer Grund für meine Höhenangst, dennoch konnte ich den Gedanken daran, wo wir uns befanden, nicht sofort abschütteln.
    Ylenia stützte mich unauffällig. Ich sah in der Dunkelheit ihre Zähne aufblitzen. »Du wirst dich schnell daran gewöhnen«, flüsterte sie mir ins Ohr. »Sei froh, dass es heute nicht stürmt.« Ich unterdrückte ein Stöhnen. Ein Licht näherte sich uns, und ich erkannte Mellis, die mit dem Glühstein in der Hand auf uns zukam.
    »Kommt, ich habe eure Quartiere bereiten lassen«, sagte sie fröhlich und ging uns voraus über den leicht federnden Grund. Ich stampfte vorsichtig auf, aber das Holz lag fest und beruhigend unter meinen Füßen. Dix blinzelte unbehaglich, aber kam brav hinter uns her.
    »Hier wirst du schlafen, Eddy«, sagte Mellis. Sie blieb vor einer geflochtenen Kugel stehen, die

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