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AnidA - Trilogie (komplett)

AnidA - Trilogie (komplett)

Titel: AnidA - Trilogie (komplett) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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meines Volkes auf dieser Welt«, begann Tallis zu erklären. »Von hier aus wurden die anderen, die Töchter-Nester gegründet. Tel'krinem ist das eine, das wahrhafte Nest der Mütter, erbaut in den schützenden Armen des ältesten Lebewesens dieser Welt.«
    Von hinten kam ein zwitschernder und unverständlicher Kommentar der rothaarigen Grennach, den Tallis mit einem Schnauben quittierte. »Frecher Nestling«, sagte sie mit einem Naserümpfen. »Ich wusste, dass wir einen Fehler gemacht haben, dir zu erlauben, dich diesen ungehobelten Riesinnen anzuschließen.«
    »Erlaubt!«, erklang es empört von hinten. »Was heißt hier erlaubt, Mutter? Ich habe die Älteste nur der Form wegen gefragt und weil ich gut erzogen bin. Aber ich bin eine Gildenfrau, und du hast mir jetzt nicht mehr das Geringste zu sagen, verehrte Mutter und Nestälteste!«
    Tallis spuckte eine scharf klingende Antwort aus, aber ich konnte das Lächeln sehen, das sie vor ihrer Tochter verbarg. Sie schien äußerst stolz auf die temperamentvolle kleine Grennach zu sein. Plötzlich fühlte ich mich wohl in der Gesellschaft dieser seltsamen Frauen. Ich hätte es wahrhaftig schlechter treffen können, als hier in dieser wilden, unzivilisierten Welt gelandet zu sein. Solange sie mich nicht dazu zwangen, tote Tiere zu essen ...
    Wir ritten jetzt schon den dritten Tag durch diesen nicht enden wollenden Wald. Ich konnte beim besten Willen keine Bäume mehr sehen. Niemals hätte ich gedacht, dass ich mich derart nach dem Anblick einer großen Wasserfläche oder einer hübschen, baumlosen Wüste sehnen könnte.
    Der Abend sank nieder – zumindest nahm ich das an, denn das grüne Dämmerlicht, durch das wir nun schon seit Tagen ritten, fing an, sich mehr und mehr zu verdüstern. Ich fühlte mich wie bei einem Spazierritt unter Wasser.
    Hinter mir stieß Mellis plötzlich einen schrillen Ruf aus und ließ ihre Eselin an uns vorbeikantern. Chloe steckte alarmiert ihren Kopf aus meinem Kragen und blickte sich wachsam um. Außer uns beiden schien niemand das Verhalten der kleinen Frau bemerkenswert zu finden. Ich blickte zu Tallis hinüber, die sich mit einem versonnenen Lächeln umsah. Der Ritt schien die alte Frau angestrengt zu haben. Sie sah erschöpft aus, aber ihre dunklen Augen funkelten vor Freude.
    Wir folgten Mellis um die Biegung des schmalen Pfades und gelangten auf eine große Lichtung, in deren Mitte der größte Baum stand, den ich je in meinem Leben gesehen hatte, und das waren allein seit unserem Aufbruch sicher einige Millionen gewesen. Ich verstand noch nie viel von Botanik, deshalb konnte ich nicht sagen, um was für eine Art von Baum es sich handelte, aber es war ein riesiges, uraltes Ding, mit einem rissigen, vernarbten Stamm, der den Durchmesser eines Häuserblocks hatte. Seine Krone überspannte die gesamte Lichtung, die mächtigen Äste reckten sich weit hinaus, und seine Wurzeln zogen sich wie hohe dunkle Wälle über den bemoosten Waldboden.
    Mellis' Eselin stand mit hängendem Kopf am Rande der Lichtung und döste. Ihre Reiterin war nirgends zu sehen. Ich sah meine Begleiterinnen fragend an. Ylenia rutschte von ihrem Schimmel und gab der schweigsamen Ordensfrau, die während der ganzen Reise unsere Nachhut gebildet hatte, eine leise Anweisung. Die nickte und stieg vom Pferd. Anscheinend waren wir am Ziel unserer Reise angekommen, auch wenn mir nicht ganz klar war, wo sich denn nun diese große Grennach-Siedlung verbarg.
    Tallis stand hoch aufgerichtet da und starrte hinauf in die Baumkrone. In ihren schwarzen Augen standen Tränen. Ich stieg steifgliedrig aus dem Sattel und trat zu ihr. Sie wandte ihren Blick nicht von dem Baum, aber ihre Hand legte sich sacht um meine und drückte sie behutsam.
    »Tel'krinem«, hauchte sie. »Meine Heimat, Eddy. Ich hatte gefürchtet, sie niemals mehr sehen zu dürfen.« Ich legte meinen Arm um sie und ließ um Worte verlegen meine Blicke an dem Baumriesen emporwandern. Kleine schwarze Flecken bewegten sich auf ihm wie krabbelnde kleine Käfer. Ich musste schlucken, als mein Gehirn die Größenverhältnisse ins richtige Maß zu setzen begann.
    »Höllenfeuer«, flüsterte ich, legte den Kopf weit in den Nacken und folgte dem Verlauf der untersten Äste. Sie überragten mühelos die Kronen der umstehenden Bäume. Im verdämmernden Licht glaubte ich dünne Verbindungslinien zwischen ihnen und den darüber liegenden Ästen zu erkennen. Es wirkte wie der vergebliche Versuch einer gigantischen Spinne, eine

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