AnidA - Trilogie (komplett)
nicht dagegen, als er jetzt mein Gesicht zwischen seine groben Hände nahm und mich behutsam küsste. Sein Mund schmeckte frisch und beinahe so unschuldig wie der eines Kindes, und seine Lippen waren weich wie die einer Frau. Ich erwiderte den Kuss nicht ohne Vergnügen und schob Jinqx dann sanft, aber bestimmt von mir.
»Du bist leider nicht ganz mein Fall«, sagte ich freundlich.
»Schade«, erwiderte er ohne Bedauern. »Woran liegt es? Zu alt, zu dick, die falsche Augenfarbe ...?«
... zu schmuddelig, hätte ich beinahe hinzugefügt, aber antwortete dann ehrlich: »Das falsche Geschlecht. Tut mir leid, Jinqx.«
Er sah ausgesprochen belustigt aus. »Na ja, Pech gehabt«, sagte er fröhlich und fingerte seine unvermeidliche Pfeife heraus. Mit seinem Tabaksbeutel fiel eine weiße Schachtel ins Gras, die er mir anbot.
»Danke«, sagte ich überrascht und zog eine Zig aus der Packung. Es war ein ganz gewöhnliches Päckchen Zigs, wie man sie in Cairon City an jeder Ecke kaufen konnte. Ich konnte sogar das Kaiserliche Steuersiegel auf der Rückseite der Schachtel erkennen und die codierte Zwei-Galacx-Markierung darüber, ehe Jinqx sie wieder in seinen Kleidern verschwinden ließ. Verdattert steckte ich die Zig zwischen meine Lippen und sog daran, bis sie sich entzündete. Der erste Zug brachte mich zum Husten, aber dann genoss ich den kühlen Geschmack, obwohl er mich an das Lager und die kleine Stell erinnerte.
»Woher hast du die?«, fragte ich Jinqx, der nur leise knurrte und gleichgültig die Schultern hob. Seine Hände beschäftigten sich wieder mit einer Schnitzerei. Ich legte mich zurück und blinzelte in den leicht verschleierten Himmel. Über uns kreiste ein dunkler, großer Vogel mit gezackten Schwingen, und ich musste wieder an Tallis' Worte denken. »Sturmkrähe«, sagte ich unwillkürlich. Jinqx lachte leise. Ich blickte dem Vogel hinterher, wie er in der endlosen, dunstigen Höhe verschwand, und merkte nicht, wie mir die Augen zufielen.
Als ich erwachte, war die Sonne fort und ich allein. Ich schlug die Decke beiseite, die sorgsam über mich gebreitet lag, und rappelte mich auf. Etwas fiel von meinem Schoß auf den Boden. Ich hob es auf, um es mir näher anzusehen. Mein Gesicht blickte mich an, kaum handgroß und doch in jeder Einzelheit lebendig in dem dunklen Holz nachgebildet. Ein winziges Lächeln kringelte die Mundwinkel, und die Augen schienen mich fröhlich und doch ein wenig reserviert zu betrachten. Ich blinzelte, und Ida sah mich an. Ein zweites Blinzeln, und das Bildnis wandelte sich wieder zu meinem Gesicht.
Ich saß noch lange da und wendete das wunderbare Porträt in meinen Händen. Welche Meisterschaft sprach aus diesem bearbeiteten Stück Holz und welch liebevolle Beobachtung. Endlich wickelte ich es behutsam ein und steckte es in meine Hosentasche, bevor ich endlich durch die sinkende Dämmerung zum Nest zurückkehrte.
Während des Abendessens musste ich immer wieder an das Bildnis denken. Es fiel nicht weiter auf, dass ich nicht in gesprächiger Stimmung war, denn auch meine Begleiterinnen waren ungewöhnlich schweigsam. Dix und Mellis hörten nach dem Essen endlich damit auf, sich zu verstellen, und hielten sich ganz offen und sehr verliebt bei den Händen. Ich musste lächeln, und Tallis erwiderte mein Schmunzeln.
»Geht das denn überhaupt?«, flüsterte ich ihr ein wenig beunruhigt zu. »Dix ist schließlich kein Grennach-Mann.«
Tallis schüttelte leise den Kopf und strich beruhigend über meine Hand. »Und Mellis ist eine Gildenfrau«, murmelte sie. »Lass sie ihren eigenen Weg finden, Kind. Sie sind erwachsen.«
»Eddy«, tauchte meine Tante plötzlich aus ihrer Versunkenheit auf. »Ich möchte, dass du morgen früh mit Tallis und mir das Gedächtnis aufsuchst. Wir haben einiges herausgefunden, und ich möchte, dass du mit uns darüber nachdenkst, was es zu bedeuten haben könnte.« Überrascht willigte ich ein, und Tallis belohnte meine Fügsamkeit mit einem zärtlichen Klaps.
Ich verabschiedete mich und trat hinaus in die weiche, von dem milden Licht der Sterne und der überall verteilten Glühsteine erhellte Nacht. Das Gemurmel der hellen Grennach-Stimmen hinter mir verklang leise, als ich den Ast entlangging. Der Wald rauschte wie die sanfte Dünung eines unsichtbaren Ozeans. Eine weiche Altstimme sang leise zu dieser Begleitung. Ich blieb stehen und lauschte. Sehnsucht nach fernen, fremden Welten klang aus diesem wortlosen Gesang, der Duft der Sterne lag darin
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