AnidA - Trilogie (komplett)
rothaariges Mädchen hüpfte aufgeregt direkt am Rande des Abgrundes auf und ab und strahlte vor Freude. Die beiden Kleinsten, die sicher noch nicht lange dem Männerbezirk entwachsen waren, hatten sich ohne Umstände auf dem breiten Schoß des Mannes zusammengerollt und sahen mit großen, erwartungsvollen Augen zu ihm auf.
Er legte behutsam einen Arm um sie, um sie vor dem Herabfallen zu bewahren, und wühlte mit der anderen Hand in seinen Taschen herum. Endlich wurde er fündig und zog einige kleine Gegenstände hervor, die er an die Kinder verteilte. Ich konnte nicht sehen, worum es sich dabei handelte, aber die Mädchen jubelten und bedankten sich und tobten dann so stürmisch davon, wie sie gekommen waren.
Der Mann, Jinqx, seufzte leise und rückte sich wieder bequem zurecht. Er klopfte einladend mit der Hand auf den Platz an seiner Seite und griff wieder nach dem Wurzelstück, das in seinem Schoß lag. Ich hockte mich neben ihn und nahm eine vorsichtige Nase, da der Wind in meine Richtung stand. Aber es war auszuhalten.
Wir saßen schweigend da. Ich hörte zu, wie er seine Pfeife paffte und hin und wieder ein zufriedenes Brummen ausstieß. Dann verlagerte er kurz sein Gewicht, um ein kleines Messer aus einer Tasche seines unglaublichen Mantels zu fischen, und lehnte sich dabei schwer gegen mich. Ich sah neugierig zu, wie er begann, das Wurzelstück mit der scharfen Klinge zu bearbeiten. Seine hässlichen, stumpfen Finger waren dabei außerordentlich geschickt.
»Du heißt Eddy«, sagte er, ohne von seiner Arbeit aufzusehen.
Es war keine Frage, deshalb antwortete ich nur im selben Tonfall: »Du heißt Jinqx.« Er hielt einen Moment inne und lachte mich breit und vergnügt an. Dabei verengten sich leicht seine schräg stehenden Augen über den breiten Wangenknochen zu fältchenumkränzten Schlitzen, und auch die Hakennase kräuselte sich auch ein wenig dabei. Ich lachte unwillkürlich zurück.
Dabei blieb es vorerst, was unsere Unterhaltung anging. Ich beobachtete gebannt, wie nach und nach unter seinen kräftigen Händen aus dem Wurzelstück eine kleine Krähe mit wie zum Krächzen geöffnetem Schnabel entstand. Sie schien beinahe zu leben, wie sie in der rauen Handfläche lag, und ich konnte einen erstaunten Laut nicht zurückhalten. »Das ist schön«, sagte ich unwillkürlich.
Jinqx brummte wortlos und drückte mir sein Werk in die Hand. Dann stand er auf und streckte seine stämmigen Glieder. »Lust auf einen Spaziergang?«
Zu meiner eigenen Überraschung hörte ich, wie ich zustimmte. Er ging voraus zur nächsten Leiter und kletterte flink daran empor. Ich sah ihm nach und wunderte mich über die geschmeidigen Bewegungen dieses schweren Körpers. Seine bloßen, erstaunlich kleinen und wohlgeformten Füße schienen die Sprossen der Leiter kaum zu berühren. Ich folgte Jinqx mit allem Geschick, das ich in den letzten Tagen erworben hatte, und turnte hinter ihm her über ein weites Maschengeflecht, das zwei nebeneinander liegende Äste miteinander verband. Dabei beging ich den Fehler hinunterzusehen. Weit unter mir lag der Waldboden mit den tiefen Wurzeltälern, in denen sich ameisenkleine Punkte bewegten. Ein heftiges Schwindelgefühl erfasste mich. Ich klammerte mich panisch an das mit einem Mal erschreckend dünne Seil, und kämpfte mit dem Sog, der mich dazu zwingen wollte, meinen Griff zu lockern und mich fallen zu lassen.
Starke Hände griffen unter meine Achseln und hievten mich über die letzten Meter auf den einigermaßen sicheren Grund des Nebenastes. Jinqx lehnte mich gegen einen emporstrebenden Ast und hockte sich schweigend neben mich. »Besser?«, fragte er, als mein Atem sich zu beruhigen begann. Er holte eine Flasche aus seinem Mantel und zog mit den Zähnen den Korken heraus, bevor er sie mir hinhielt.
Mit zittrigen Fingern griff ich danach. Das beißende Aroma eines starken Obstbrands stieg in meine Nase und trieb mir Tränen in die Augen. Ich überwand meinen Widerwillen und nahm einen kräftigen Schluck von dem klaren Schnaps, dessen Schärfe mir für einen Moment den Atem nahm und nachhaltig den letzten Rest des Schwindels vertrieb. Ich hustete und reichte Jinqx die Flasche zurück. Er spuckte den Korken in seine Hand, setzte die Flasche an die Lippen und legte den Kopf zurück. Glucksend verschwand der größte Teil des Flascheninhalts in seiner Kehle, ehe er mit einem befriedigten Knurren den Korken in den Flaschenhals hieb und sie wieder in seinem unbeschreiblichen Mantel
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