AnidA - Trilogie (komplett)
einem letzten Blick auf die beiden schwarzen Punkte ab, die sich unaufhaltsam nach Norden entfernten, und betraten den dunklen, nach getrockneten Kräutern riechenden Flur.
Der folgende Winter im Ordenshaus war wohl die friedlichste Zeit in meinem Leben. Zwar hielt Ylenia ihr Wort und sorgte dafür, dass ich einen ausgefüllten Stundenplan hatte, wobei sie einen großen Teil des Unterrichts selbst übernahm, aber trotz meines Arbeitspensums merkte ich, wie ich mich mit jedem Tag etwas mehr erholte.
Das wahre Ausmaß meiner neuen Kräfte überraschte mich sehr. Ich bemerkte, wie sehr Ylenia darüber erfreut war, und gegen Ende des Winters verriet sie mir den Grund dafür.
Wir saßen vor dem Kaminfeuer in ihrem Zimmer, tranken erhitzten Würzwein und streichelten abwechselnd ihre weiße Katze, die sich die doppelte Aufmerksamkeit mit wohlig geschlossenen Augen gefallen ließ. Gerade war sie wieder elegant von Ylenias Schoß gesprungen und rieb sich auffordernd an meinen Beinen. Ich nahm das Buch, in dem ich gelesen hatte, von meinem Schoß, und sie machte es sich erwartungsvoll schnurrend darin bequem.
Ylenia hatte längere Zeit geschwiegen und mich nachdenklich angesehen. »Ich brauche endlich eine Nachfolgerin«, sagte sie unvermittelt und beobachtete mich scharf aus topasfarbenen Augen.
Einen schrecklichen, erstarrten Moment lang wurde ich an meine Großmutter erinnert. Ich hielt im Kraulen des weichen, weißen Katzenfells inne und rieb über die Gänsehaut, die sich auf meinen Armen gebildet hatte. »Wie meinst du das, Tante Ylen?«
Sie lächelte sanftmütig, aber der Ausdruck ihrer Augen war kühl und fern. »So, wie ich es gesagt habe. Ich werde nicht jünger, mein Kind, und es wird einige Jahre brauchen, dich in dieses Amt einzuweisen. Vergiss nicht, das Oberhaupt des Weißen Ordens trägt große Verantwortung. Du wirst das Ohr des Hierarchen besitzen, und dein Rat sollte weise sein.«
»Ich weiß nicht, ob ich das ... das ist nicht das, was ich mir vorgestellt habe ...«, stotterte ich, gleichermaßen überwältigt und angstvoll. Die weiße Katze miaute unwillig und sprang von meinem Schoß, um sich dicht neben dem Kaminfeuer zusammenzurollen.
»Was also hast du dir vorgestellt?«, fragte Ylenia geduldig. »Wie möchtest du dein Leben hier in deiner alten und neuen Heimat gestalten?«
Ich schwieg und starrte in die Flammen des Feuers. Ylenia hatte den Finger auf eine wunde Stelle gelegt. Dazu hatte es allerdings nicht der Anwendung ihrer Hexensicht bedurft: Ich war oft genug während dieses langen Winters einem Gespräch über meine Zukunftspläne ausgewichen. In Cairon City hatte es keine derartigen Sorgen für mich gegeben. Ich hatte nur für meine nächste Mahlzeit und den möglichst warmen, trockenen Schlafplatz in der Nacht gelebt. Ein solches Leben hatte auch durchaus seine Vorteile gehabt: Ich hatte mir über nichts und niemanden Gedanken machen müssen, hatte keinerlei Rücksichten nehmen und niemals über den nächsten Tag hinaus Pläne machen müssen. Aber als Oberste der Weißen Hexen sähe mein Leben wahrhaftig anders aus ...
»Ich bin sicher nicht die Richtige für diese Aufgabe«, platzte ich heraus. »Eine von euch, eine, die länger hier im Orden arbeitet, müsste deine Nachfolge antreten. Ich kenne mich doch nicht aus, ich wüsste gar nicht, was ich zu tun hätte, Tante Ylenia!«
Ylenia lachte. Sie beugte sich vor und stocherte mit dem Schürhaken im Feuer herum. Dann legte sie ihn fort und griff mit beiden Händen in die hoch auflodernden Flammen. Sie hob einen Flammenball heraus und hielt ihn mir auffordernd hin. Ich zuckte zurück. Die Beherrschung des Feuers war eine Kunst, die mir nicht immer gelingen wollte. Etliche Brandnarben an meinen Händen legten beredtes Zeugnis dafür ab.
»Das Herz des Lichtes«, sagte Ylenia gedämpft, während der Tanz der Flammen in ihren Händen sich rötlich in ihren Augen spiegelte. »Du hütest Ter'terkrin, Eddy. Glaubst du nicht, dass allein dies dich für dieses Amt auszeichnet?«
Ich seufzte und griff unwillkürlich nach dem Kleinod, das an einer Kette um meinen Hals hing. Ylenia wartete, die Hände mit der feurigen Lohe immer noch zu mir ausgestreckt. Ich ließ Ter'terkrin sinken und griff ohne nachzudenken nach den Flammen. Sie tanzten über meine Handflächen, und Bilder tauchten darin auf. Ich blickte gebannt hinein und bemerkte nicht einmal, wie Ylenia leise aufstand und hinausging.
Ich sah Cairon City, wo ich aufgewachsen war. Wie
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