AnidA - Trilogie (komplett)
Haus ging.
Ida atmete tief aus und lockerte ihre verkrampften Hände. Ich sah sie scharf an. »Das war das dritte Mal, oder?«, fragte ich.
»Diesmal hatte ich große Angst um ihn«, gab sie zu. »Das Bild war zu deutlich. Die Hitze in der Küche und die Hektik dort – er hat sich nach einem heruntergefallenen Löffel gebückt und ist einfach umgefallen.« Sie schauderte.
Ich nahm ihre Hand und streichelte sie besänftigend. »Es ist jetzt gut, nicht wahr?«
»Bis zum nächsten Mal«, erwiderte sie. »Ich habe solche Angst, dass ich es dann nicht verhindern kann, Eddy. Und manchmal frage ich mich ...« Sie schwieg. »Ich frage mich, ob ich das Recht dazu habe«, setzte sie flüsternd hinzu. »Aber ich will ihn nicht verlieren, jetzt noch nicht. Es wird irgendwann unvermeidlich sein, aber doch nicht jetzt, wo er endlich einmal zur Ruhe kommt ...« Sie seufzte wieder.
»Siehst du meinen ... kannst du mich auch sehen?«, fragte ich beklommen. Ich hatte ihr noch niemals diese Frage gestellt, es war immer wie ein unausgesprochenes Abkommen zwischen uns gewesen. Ida sah mich erstaunt an.
»Nein«, sagte sie schließlich schroff. »Nein, Eddy. Ich kann dich noch weniger sehen als mich selbst. Du bist wie eine blinde Stelle für mich.« Sie schwieg ein wenig verstimmt, und ich atmete erleichtert aus.
»Bereust du, dass du dein Leben lang allein geblieben bist?«, fragte sie unvermutet. Ich dachte darüber nach.
»Nein, ich denke nicht«, antwortete ich schließlich zögernd. »Es hätte nicht funktioniert. Wenn Jinqx damals geblieben wäre, hätte ich vielleicht anders darüber gedacht, aber so ...«
Es war nicht gelogen, aber auch nicht die ganze Wahrheit. Die konnte ich ihr nicht sagen, ohne ihr weh zu tun, und das wollte ich nicht.
»Elaina hat mir etwas anvertraut, das mich sehr erschreckt hat«, sagte Ida, ohne mich anzusehen. »Sie wollte nicht mit der Sprache heraus, deshalb sei ihr bitte nicht gram. Ich habe sie ziemlich unter Druck gesetzt.« Ich sah sie wachsam an, denn ich ahnte, was jetzt kam.
»Sie sagt, es gibt Gerüchte im Orden. Gerüchte, dass du als Älteste abgelöst werden sollst, weil du ... weil du ...« Sie stockte und fuhr dann mit kühler Distanz fort: »Weil du dich nicht mehr um die Geschäfte des Ordens kümmerst und weil du zu viel trinkst.« Sie presste die Lippen zusammen und wich meinem Blick aus.
Ich lächelte. Es war klar, aus welcher Ecke dieses Gerücht stammte. Die intrigante kleine Selina machte sich Hoffnungen auf eine Ernennung zur Obersten des Ordens. Sie würde enttäuscht werden, aber das konnte sie noch nicht ahnen.
»Es ist nicht ganz so, wie Elaina sagt«, erwiderte ich mit gelindem Spott. »Es stimmt, ich habe mein Amt aufgegeben und meine Nachfolgerin ernannt. Aber das war ganz und gar meine freie Entscheidung. Ich bin von niemandem dazu gedrängt worden. Mein Rücktritt ist allerdings noch nicht offiziell bekannt gegeben worden. Das soll erst nach dem Erntefest geschehen.«
Ida starrte mich fassungslos an. »Aber warum? Du könntest das Amt doch noch lange innehaben. Du hast niemanden, für den du sorgen musst, der Orden war immer deine Heimat ...« Sie schüttelte beinahe ärgerlich den Kopf. »Versteh mich nicht falsch, Liebes. Du bist hier immer willkommen, das weißt du. Ich würde mich freuen, dich um mich zu haben. Aber ich weiß doch, dass du deine Aufgabe geliebt hast. Warum willst du sie jetzt einer Jüngeren übertragen?«
»Es ist an der Zeit«, erwiderte ich knapp. »Ich bin müde, Ida. Ich kann dem Orden nicht mehr so dienen, wie er es verdient.«
Meine Schwester senkte ihren Kopf. »Es ist deine Entscheidung«, sagte sie leise. »Ich will dir keinen Vortrag halten. Aber ich denke, dass du einen Fehler machst. Du wirst dir schrecklich überflüssig vorkommen.«
Ich lachte auf. Sie sah mich erschreckt an. »Mach dir keine Sorgen, Schwesterherz«, sagte ich unbekümmert. »Ich habe gut darüber nachgedacht. Aber jetzt komm, lass uns den Tag genießen. Es ist Erntefest, Ida, der schönste Tag im Jahr. Wir werden uns morgen oder übermorgen noch einmal in Ruhe über alles unterhalten.«
Sie schluckte die Ausflucht widerstandslos. »Ja, gut«, sagte sie erleichtert. »Wenn alle wieder fort sind, werden wir Zeit füreinander haben. Ich bin froh, dass es dir besser geht, Eddy.«
Ich nickte nur und sah ihr nach, wie sie den Weg zum Haus hinunterging. Sie hatte immer noch den energischen Gang, den sie als junge Frau gehabt hatte. Auch ich hatte mich
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