AnidA - Trilogie (komplett)
aufgelöst unter der alten Blutbuche im Garten gefunden hatte, wieder zu besänftigen. Elaina verkniff sich klugerweise jede Bemerkung zu dem Vorfall und bereitete gemeinsam mit ihren Eltern den jetzt erst eintreffenden Gästen einen herzlichen Empfang.
Erst spät in der Nacht, als die meisten sich ermüdet auf ihre Zimmer zurückgezogen hatten, zog sie ihren Vater beiseite und fragte ihn nach seiner Meinung zu Idas Zustand. Simon sog nachdenklich an seiner Pfeife und stieß einige bläuliche Wölkchen aus, ehe er zu einer zögernden Antwort ansetzte.
»Ida ist noch immer fest davon überzeugt, dass Eddy damals nur fortgegangen ist, um etwas zu suchen. Sie lässt sich nicht belehren, Elli. Ich bitte dich, toleriere ihren Glauben. Ich weiß nicht, was geschieht, wenn wir zu sehr versuchen, es ihr auszureden. Ich habe Angst, dass sie dann ...« Er verstummte und biss hart auf das zerkaute Mundstück seiner Pfeife.
Elaina blickte auf ihre fest ineinander verschlungenen Hände und löste mit einem Seufzer den klammernden Griff.
»Aber es ist doch Wahnsinn ...«, begann sie.
Ihr Vater unterbrach sie heftig. »Nenne es, wie du willst«, fuhr er sie an. »Wenn dies nun einmal die einzige Möglichkeit ist, wie deine Mutter ein wenig Glück und Zufriedenheit finden kann, dann sollte uns der Preis dafür nicht zu hoch sein. Was kostet es uns denn, ihr nicht zu widersprechen, Kind?«
Elaina kniff die Lippen zusammen, und ihr Kiefer arbeitete hart. Endlich nickte sie, wenn auch wenig überzeugt. »Meinetwegen, Vater. Du kennst sie am besten von uns allen. Dennoch, ich glaube, dass eine solche Wahnidee ihr auf längere Sicht schaden wird. Eddy wird nicht zurückkehren, auch wenn Mutter noch so sehr daran glaubt. Was denkst du, wie sie die dauernde Enttäuschung verkraften wird?«
Simon schwieg unglücklich. Elaina schüttelte ärgerlich über sich selbst den Kopf und umarmte ihren Vater. »Grübele nicht darüber nach, Vater. Wir werden eine Lösung finden, sei unbesorgt. Ich will doch nur, dass es Mutter und dir gut geht.«
Simon nickte, und sein Gesicht glättete sich ein wenig. Er küsste seine Tochter auf die Stirn und stand schwerfällig auf. »Ich gehe zu Bett«, sagte er müde. »Bitte, denk daran, dass die Trauerfeier morgen erst beginnt, wenn ich Ida zu dem Spaziergang ins Dorf überredet habe. Ich möchte sie nicht aufregen, Kind, das verstehst du doch?«
Elaina sah ihm nach, wie er bedächtigen Schrittes zum Haus ging. Was wird sein, wenn er einmal nicht mehr da ist?, fuhr es ihr durch den Sinn. Wie würde Mutter wohl mit seinem Tod fertig?
Mit der Zeit erkannte Elaina, dass es unnötig war, sich über den Wahn ihrer Mutter zu viele Gedanken zu machen. Wenn das Erntefest herankam, blühte Ida jedes Mal auf. Wie schon im ersten Jahr nach Eddys Tod wurde auf der Festtafel ein Gedeck für sie aufgelegt, und bald fragte niemand mehr nach dem Grund dafür. Es wurde zu einem Familienbrauch, der abwesenden Tante die besten Bissen auf den Teller zu legen, und die kleine Anna, die ihre Großtante niemals kennen gelernt hatte, stellte in jedem Jahr einen selbst gepflückten Strauß Feldblumen auf Eddys Platz.
Anna und ihre Großmutter verbrachten viel Zeit miteinander. Je mehr Elaina die Geschäfte ihrer Mutter übernahm, desto weniger Zeit hatte sie für ihre Familie. Deshalb sah sie es nicht ohne Freude, dass Ida und ihre Enkelin sich so gut verstanden. Zuerst war sie noch ein wenig besorgt, dass Ida die Kleine mit ihrem Wahn verwirren könnte, aber die Sorge zerstreute sich schnell. Anadia war ein stilles, aber kein dummes Kind. Ida und sie schienen über unerschöpfliche Gesprächsthemen zu verfügen, und je mehr Ida sich von den anderen Menschen auf Sendra zurückzog, desto enger wurde ihre Bindung an ihre Enkelin. Sie verstärkte sich sogar noch, nachdem Simon an einem heißen Sommertag mit einem schwachen Lächeln im Gesicht auf der Bank im alten Obstgarten gesessen und nicht mehr auf die Rufe seiner Tochter Elaina geantwortet hatte, die ihn zum Essen holen wollte.
Ida verkraftete den Tod ihres geliebten Mannes erstaunlich gut. Sie war danach möglicherweise noch ein wenig stiller und in sich gekehrter als zuvor und mied jede Art von geselliger Zusammenkunft, aber ihr Wesen war bei aller Zurückgezogenheit von einer leisen Fröhlichkeit geprägt, die sie niemals zu verlassen schien.
Elaina überlegte, das erste Erntefest nach dem Tod ihres Vaters abzusagen. »Ich werde es nicht ertragen können, wenn Mutter
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