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AnidA - Trilogie (komplett)

AnidA - Trilogie (komplett)

Titel: AnidA - Trilogie (komplett) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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rückte, desto weniger ließ sich das umgehen. Es war ein uralter Brauch, den ersten Jahrestag des Todes feierlich zu begehen, und es mussten Vorbereitungen für die Zeremonie getroffen werden. Einige der Schwestern vom Weißen Orden hatten darum gebeten, der Zeremonie beiwohnen zu dürfen. Die Tradition verlangte, dass Ida als engste Verwandte der Toten sie leitete. Elaina bat Simon, seine Frau darauf schonend vorzubereiten, aber ihr sonst so sanftmütiger Vater reagierte erstaunlich unwirsch auf dieses Ansinnen.
    »Lass Ida damit in Frieden, Elaina«, sagte er schroff. »Begeht diese Feier, wenn es denn sein muss, aber bitte lasst eure Mutter aus dem Spiel. Sie hat endlich ihren Seelenfrieden wieder gefunden, und ich wünsche, dass es dabei bleibt!«
    Elaina biss die Zähne zusammen und willigte ein. Simon hatte Recht. Die Zeremonie würde stattfinden, aber ohne ihre Mutter.
    Zum Erntefest erwarteten sie dieses Mal nur wenig mehr als die engste Familie. Marten hatte angekündigt, er werde mit seiner zukünftigen Frau wenigstens auf ein paar Tage vorbeikommen, und auch Dorkas hatte sich von der Gilde Urlaub geben lassen. Das ruhige Haus füllte sich nach und nach mit den eintreffenden Gästen. Simon bemerkte voller Erleichterung, dass der Trubel Ida wohl zu tun schien. Sie zeigte wieder etwas von ihrer alten Lebhaftigkeit und ließ es sich nicht nehmen, die Vorbereitungen für das Fest selbst in die Hand zu nehmen. Elaina und ihre Geschwister sahen das Aufblühen ihrer Mutter mit Freuden und werteten es als Zeichen, dass Ida den Schock über den Tod ihrer Schwester nun endgültig überwunden hatte.
    Am Nachmittag des Erntefestes schmückten sie die Tafel für das abendliche Festmahl. Elaina stand mit einem riesigen Korb von Früchten, Laub und Herbstblumen zu ihren Füßen vor den Gedecken und zählte sie stirnrunzelnd. »Das stimmt nicht«, murmelte sie. »Du hast ein Gedeck zu viel aufgelegt. Mutter?«
    Ida ordnete einen Strauß Astern in die riesige Vase in der Tischmitte. »Ja, Kind?«, antwortete sie geistesabwesend.
    »Es ist ein Gedeck zu viel, Mutter«, wiederholte Elaina geduldig. Simon, der gerade mit einem Fässchen frisch gebrauten Biers in den Armen durch die Tür trat, zuckte zusammen und grimassierte heftig in Richtung seiner Tochter, die seine verzweifelten Zeichen nicht beachtete. »Mutter?«, fragte sie sanft nach.
    »Nein, Kind«, antwortete Ida ruhig und richtete die Teller, die sie bei ihrem Werk verschoben hatte. »Es ist genau die richtige Anzahl von Gedecken, ich habe sie dreimal nachgezählt.«
    »Bitte, dann zähle sie noch einmal.« Elaina begann, ein wenig ungeduldig zu klingen. Simon ließ das Fässchen laut polternd auf den Bock fallen und schoss Elaina einen aufgebrachten Blick zu, den sie mit Erstaunen erwiderte.
    »Du, dein Mann, ich, dein Vater, Dorkas, Marten, Martens Freundin, Amali, Eiliko, die beiden Schwestern aus deinem Orden ...«, begann Ida aufzuzählen und deutete dabei auf die gedeckten Plätze. Elaina hörte sich die Namensliste mit steigender Ungeduld an.
    »Und?«, fragte sie, als Ida geendet hatte und nachdenklich auf das Gedeck am Kopfende blickte, das ungenannt geblieben war.
    Ida hob den Kopf und sah sie sehr erstaunt an. »Was, ›und‹?«, fragte sie.
    Simon, der neben seine Frau getreten war, nahm sie behutsam beim Arm und wollte sie zur Tür lotsen. Ida entzog ihm den Arm und stemmte die Hände in die Seiten. Sie blickte von ihm zu ihrer Tochter und funkelte beide aufgebracht an. »Was, ›und‹?«, wiederholte sie scharf. »Deine Tante Eddy natürlich, was dachtest du? Glaubst du etwa, ich würde meine eigene Schwester vergessen?«
    Elaina wurde blass. »Mutter«, sagte sie schwach. »Um alles in der Welt, ich bitte dich! Tante Eddy ist vor einem Jahr ...«
    »... fortgegangen«, unterbrach Ida sie schroff. »Und sie wird wieder nach Hause kommen, Elaina. Sie ist zum Erntefest gegangen, und zum Erntefest kehrt sie auch zurück. Ich werde nicht dastehen, wenn sie hier vor der Tür steht, und keinen Platz für sie an meiner Tafel vorbereitet haben. Ich nicht, meine Tochter!«
    Sie funkelte Elaina noch einmal zornig an und drehte sich auf dem Absatz um. Simon blickte seine Tochter hilflos an und folgte wortlos seiner Frau. Elaina stand da, den Korb mit Herbstfrüchten zu ihren Füßen, und blinzelte Tränen der Wut und Enttäuschung fort.

    Trotz dieser Missstimmung verlief das Fest fröhlich und harmonisch. Simon war es gelungen, seine Frau, die er in Tränen

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