AnidA - Trilogie (komplett)
die allergrößte Pein in ihr wütete, und kam zum Stehen. Der unsichtbare Wind, der die Hexen von dem Tisch zurücktrieb, hinderte sie nicht stärker als ein lindes Lüftchen am Vorwärtskommen. Sie ignorierte die reißenden und zerrenden Schmerzen, so gut es eben ging, und schleppte sich an Herrad vorbei, die kurz vor der Tischkante in Erstarrung gefangen schien. Ihre Augen weiteten sich ungläubig, als sie Anna erblickte, und ihre Lippen formten warnende Worte, die nicht an Annas Gehör drangen. Ein lautes Brausen erfüllte den Raum und erstickte alle anderen Geräusche. Anna griff nach der Tischkante und blickte in das blendende Licht, das unvermindert aus dem Kästchen drang. Durch das Getöse erklangen singende Stimmen, jemand schien ihren Namen zu rufen. Anna beugte sich hinab, griff ohne nachzudenken in das Licht hinein und umfasste einen, nein zwei harte rund-flache Gegenstände, die sich in ihre Handflächen schmiegten, als gehörten sie dorthin. Schlagartig versiegte der Schmerz, erlosch das Licht, legte sich der Wind und verstummte das Brausen.
Anna stand da, in jeder Hand eines der magischen Kleinodien, und starrte mit großen Augen darauf nieder, fragte sich, wie sie die Herzen jemals hatte vergessen können.
Eine Hand umfasste hart ihre Schulter und wirbelte sie herum. »Was tust du?«, schrie die Oberste Hexe und griff nach den Herzen. Anna zog die Hände zurück und barg sie an ihrer Brust.
»Sie gehören mir«, hörte sie sich mit fremd klingender Stimme antworten. »Ich allein bin ihre Hüterin.«
»Du dummes Kind!« Die Hexe schlug die Hände zusammen. »All die Jahre der Mühe, der Arbeit zunichte gemacht in einem Augenblick! Begreifst du überhaupt, was du angerichtet hast? Ihr Schöpfer, helft!« Die anderen Hexen lösten sich aus ihrer Erstarrung und umringten sie, starrten sie an. Anna wich zurück und stieß hart gegen die Tischkante. »Warum wollt ihr sie mir nehmen?«, fragte sie kläglich. »Sie gehören doch mir.«
Meister Wilber tauchte neben ihr auf und berührte besänftigend ihre Schulter. »Sie machen dich krank«, sagte er leise. »Seit Jahren bemühen wir uns darum, dich von ihrer Last zu befreien, das weißt du doch. Komm, leg sie zurück, damit wir sie wieder abschirmen können.«
Anna schüttelte wild den Kopf und umklammerte die Herzen nur noch fester. »Bitte«, flehte sie. »Nehmt sie mir nicht wieder fort. Ich fürchte, ich muss sterben, wenn sie nicht bei mir sind.«
»Sei nicht albern, Anadia«, rügte sie die Oberste Hexe streng. »Du weißt nicht, was gut für dich ist, aber sei dir versichert, dass wir es wissen. Leg nun die Herzen zurück, gehorche!«
Anna zitterte am ganzen Leib. Die scharfen Kanten des weißen und des schwarzen Schmuckstückes schnitten in ihre Finger, aber sie bemerkte es kaum. Der Heiler griff behutsam nach ihrer linken Hand und bog sie von ihrer Brust fort. Seine Finger waren kühl und beruhigend an Annas Puls, und er warf der Obersten Hexe einen um Zurückhaltung heischenden Blick zu, während er Anna zu sich drehte. »Kind, beruhige dich«, sagte er sanft. »Wir wissen, dass die Trennung schmerzhaft für dich ist, aber wir wollen wirklich nur, dass du dir nicht selbst schadest. Diese Kleinodien«, er deutete auf das Herz des Todes, das unheilvoll in Annas linker Hand funkelte, »bedeuten eine Gefahr nicht nur für dich und deine körperliche und geistige Gesundheit, sondern für das gesamte magische Gefüge unserer Welt. Wenn es uns nicht gelingt, die Herzen zu bannen, werden sie uns früher oder später vernichten. Wir können sie aber so lange nicht vollständig abschirmen, so lange du noch mit ihnen verbunden bist, denn das hätte unabsehbare Folgen für dich. Du siehst also, dass wir dir nichts Böses wollen, Anna, ganz im Gegenteil. Wir bemühen uns mit all unseren Kräften um deine Heilung und die Erhaltung deines Lebens!«
Anna liefen bei diesen Worten Tränen über die Wangen, aber nichtsdestotrotz umklammerte sie die Herzen mit aller Kraft. Meister Wilber blickte die Oberste Hexe an, und Herrad griff nun nach Annas anderer Hand. Sie lächelte das Mädchen an und bemühte sich gleichfalls, Anna zu besänftigen.
»Komm, Anadia. Du bist eine vernünftige junge Frau und kannst eine vollwertige und starke Hexe sein, sobald wir unser Werk vollendet haben. Wir sind kurz davor, Kind. Willst du denn wirklich weiter unter dieser Schwäche leiden, die diese magischen Artefakte dir bereiten? Wärst du nicht lieber wie die anderen: stark,
Weitere Kostenlose Bücher