AnidA - Trilogie (komplett)
eingewilligt, und es ist mir auch recht so!«
»Was ist es denn überhaupt, woran du leidest?«, fragte Korben geradeheraus. Zum ersten Mal, seit sie sich kannten, wagte er diese Frage auszusprechen.
Annas Augen verschatteten sich zu einem dunklen Bernsteinton. »Es ist eine Art Fluch«, sagte sie stockend. »Meine Großmutter hat ihn mir auferlegt – nein«, sie hob die Hand, um Korben zu unterbrechen, der einen erstaunten Ausruf getan hatte. »Nein, sie wollte mir damit nichts Böses. Es ist – ach, es ist zu kompliziert, ich kann es dir nicht erklären. Ich weiß ja selbst nicht recht, wie das alles zusammenhängt.«
»Was tun die Hexen, um dir zu helfen?«, fragte Korben nach.
»Sie versuchen, den Bann zu lösen. Ich glaube, es hat etwas mit einem Schmuckstück zu tun, das einmal meiner Großmutter gehörte – aber ich kann mich nicht genau erinnern. Irgendetwas hindert mich daran, auch nur darüber nachzudenken, und wenn ich es versuche, entzieht es sich mir.«
Korben sprang auf und hinkte erregt auf und ab. »Das klingt alles sehr geheimnisvoll, und ich werde das Gefühl nicht los, dass sie irgendetwas mit dir anstellen, von dem du nichts wissen sollst.«
»Warum sollten sie das tun?«, fragte Anna erstaunt. »Ich mache der Ältesten und Meister Wilber viel Arbeit, und sie sind sehr besorgt und bemühen sich um mich. Ich denke wirklich, dass sie mir helfen wollen und sonst nichts.«
Korben schüttelte hartnäckig den Kopf. »Nein, tut mir Leid, das Gefühl habe ich nicht.« Er kniete neben ihr nieder und nahm ihre Hand. Eindringlich sah er ihr in die Augen. »Versuche heute Abend wach zu bleiben und zu sehen, was sie mit dir anstellen. Meinst du, du schaffst das?«
Anna nickte ohne rechte Überzeugung.
»Gut. Dann berichtest du mir alles, und ich gehe damit ... nein, noch besser: Du kommst morgen mit und erzählst alles selbst. Ich habe dir doch gesagt, ich kenne jemanden, der dir vielleicht helfen kann.«
Anna nickte matt und stand auf. »Ich lege mich jetzt ein wenig hin. Wir können dann morgen ja mal sehen.«
Korben stand mit baumelnden Armen da und sah ihr nach, wie sie davonging. Er kaute auf seiner Unterlippe, und zwischen seinen Brauen stand eine steile Falte. »Morgen Abend am Tor!«, rief er, ehe Anna durch das Gartentor ging. »Ich warte auf dich!«
Anna lag auf ihrem schmalen Bett und starrte schlaflos die weiß gekalkte Decke an. Das Gespräch mit Korben hatte sie aufgewühlt, und sie wusste nicht, warum. Vielleicht war es die Erinnerung an ihre Großmutter. Sie drehte sich auf die Seite und legte eine kalte Hand unter ihr Gesicht. Wie hatte ihre Großmutter ausgesehen? Anna schloss die Augen, um sich das vertraute Gesicht besser vorstellen zu können.
Nach einer Weile öffnete sie die Augen wieder und drehte sich auf den Rücken. Es wollte ihr einfach nicht gelingen, Anidas Gesicht vor sich zu sehen. Sie erinnerte sich an eine hoch gewachsene, aufrechte Gestalt und dreifarbiges, von weißen Strähnen durchzogenes Haar, an große, feste und zugleich weiche Hände und eine dunkle Stimme, die lachte und ihr zum Einschlafen Geschichten erzählte von einer Krähe und baumbewohnenden Leuten und einer bösen Hexe in einem dunklen Turm ...
Anna blinzelte und schrak hoch. Im Zimmer war es dämmrig geworden, und die letzten Fetzen des Traums wehten um sie herum und verzogen sich mit dem kleinen Luftzug durch das geöffnete Fenster, ehe sie noch einen Zipfel davon erhaschen konnte. Es war eine Krähe darin vorgekommen, die sie mit schwarzen Augen angesehen und dann den Furcht einflößenden Schnabel geöffnet und zu ihr gesprochen hatte ...
Anna lachte und schüttelte den Traum endgültig ab. Sie fühlte sich erfrischt und munter und war fest entschlossen, Korbens Rat zu folgen und an der heutigen Sitzung mit wachem Verstand und scharfen Sinnen teilzunehmen.
Die Oberste Hexe selbst öffnete ihr die Tür zu dem Kellergewölbe, in dem diese Sitzungen stattzufinden pflegten. Der Anschein von Verschwörung und heimlichem Tun, den dieser Treffpunkt vermittelte, verlor sich aber gleich nach dem Eintreten wieder, denn in dem Raum mit der niedrigen, gewölbten Decke herrschte eine recht alltäglich wirkende Geschäftigkeit.
Eine Bedienstete kniete vor dem tiefen Kamin und legte Holz nach, denn das Feuer brannte schon seit der Mittagsstunde und hatte das selten genutzte Gewölbe mit behaglicher Wärme erfüllt.
Eine andere Magd hatte die schmale Liege, die Anna inzwischen zur Genüge verhasst
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