AnidA - Trilogie (komplett)
brauchen, wenn ich mit Anna beschäftigt bin. Du würdest dich ohnehin nur langweilen, denn das Ganze betrifft nichts, was für dich von Bedeutung wäre. Keine Sorge, Anna wird dich ohnehin hinterher von allem unterrichten, da bin ich mir sicher.«
Sie nickte den beiden zu und trat ohne ein weiteres Wort durch die Tür zu einem Nebenraum, die sich sanft, aber nachdrücklich hinter ihr schloss.
Anna blickte Korben sprachlos an, aber der zuckte nur mit den Achseln und grinste müde. »Komm, wir sind hier jetzt nicht mehr erwünscht«, sagte er. »Gehen wir zurück, es ist ohnehin schon spät.«
Als Anna endlich auf ihrem schmalen Bett saß, hatte sie das Gefühl, von den Wänden der winzigen Kammer erdrückt zu werden. So müde sie auch war, war sie doch zu aufgewühlt, um schlafen zu können. Sie stand auf und lehnte sich weit aus dem Fenster. Die Bäume rauschten leise in der nächtlichen Brise, und plötzlich verspürte sie den drängenden Wunsch, zwischen Bäumen zu stehen und Gras unter ihren Füßen zu spüren.
Sie zog hastig ihre Kleider über das dünne Untergewand, in dem sie zu schlafen pflegte, nahm ihre Sandalen in die Hand und öffnete leise die Tür. Man achtete im Ordenshaus recht genau darauf, dass die Novizinnen ihren Schlaf bekamen, und deshalb wurde es nicht gern gesehen, wenn nachts jemand durch die Gänge geisterte.
Ihre nackten Füße patschten leise über die kühlen Fliesen, und die Tür zum Küchengarten öffnete sich geräuschlos. Die Angeln dieser Tür waren immer gut geölt, weil die Arbeit im Küchentrakt spät endete und weit vor dem Morgengrauen wieder aufgenommen wurde – und die Erste Köchin, deren Zimmer gleich neben der Küche lag, nicht erpicht darauf war, ständig von einer quietschenden Tür geweckt zu werden.
Die Luft im Freien war samten und roch süß. Anna atmete tief ein und aus und streifte für den kieseligen Weg durch den Küchengarten die Sandalen über die Füße. Im äußeren Garten trat sie vom Weg in das nachtkühle Gras, zog die Sandalen aus und lief barfuß auf die dunkle Silhouette eines kleinen Buchenhains im entfernteren Teil des Gartens zu.
Anna liebte diesen Ort, seit sie im Ordenshaus lebte. Er erinnerte sie ein wenig an das Große Nest – auch wenn die Bäume hier vergleichsweise Zwerge gegen die mächtigen Baumriesen im Reich der Grennach waren.
Das dichte Blätterdach rauschte leise über ihrem Kopf, als sie in das Dunkel des Hains tauchte. Unter ihren Füßen raschelten die ersten herbstlichen Blätter, denn der Sommer war heiß und trocken gewesen, und das Laub der Bäume hatte sich in diesem Jahr schon früh zu verfärben begonnen.
Anna kannte diesen Platz so gut, dass sie sich auch ohne Licht zurechtfand; und so verzichtete sie darauf, ein magisches Feuer zu entfachen, und ging im Dunkeln weiter. In der Mitte des Hains stand die älteste der Buchen, ein mächtiger Baum, dessen Stamm sie nicht mit den Armen umfassen konnte. Sie lehnte für einige Momente ihre Stirn gegen die glatte Rinde und schloss die Augen. »Hallo, Baum«, flüsterte sie. Die Krone rauschte ein wenig lauter, als wollte der Baum sie ebenfalls begrüßen, und etwas bewegte sich darin. Wahrscheinlich hatte sie einen Vogel in seinem Schlaf gestört, der sich nun einen anderen Platz für die Nacht suchte.
Ein welkes Blatt fiel auf ihr Haar, und die Äste über ihrem Kopf bewegten sich sacht. Etwas raschelte, und dann hörte sie einen sanften Plumps neben sich im Moos. Erschrocken öffnete sie die Augen und drehte sich um.
»Ich hätte mir denken können, dass du diesen Platz magst«, sagte eine Frauenstimme. »Ich fühle mich hier auch immer an zu Hause erinnert.«
»Mellis«, rief Anna und breitete die Arme aus. »Ich wusste nicht, dass du heute ankommen würdest!«
Die Grennach umarmte sie und schlang dabei ihren buschigen Schweif herzlich um Annas Handgelenk. »Wir sind schon heute Mittag mit dem Schiff eingetroffen«, sagte sie. »Aber meine Nestschwester Glennis hat die Fahrt schlecht überstanden, und ich musste sie erst zu eurem Heiler bringen, bevor ich nach dir suchen konnte. Wir müssen uns knapp verpasst haben.«
»Ich war mit einem Freund unten am Hafen«, erklärte Anna und zögerte einen Moment, ob sie Mellis heute Nacht schon von der seltsamen Krähenfrau erzählen sollte.
»Wie geht es dir?«, fragte die Grennach und blickte Anna prüfend an. Ihre Augen leuchteten im Dunkeln wie die einer Katze, und Anna wusste, dass Mellis sie genauso deutlich zu sehen
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