AnidA - Trilogie (komplett)
malte eine Spur in die Feuchtigkeit. »Das ist sehr bedauerlich. Ihre starre Haltung verhindert, dass der Rat effektiv arbeiten kann. Sie schadet damit nicht nur einer Sache, die sie selbst mit aufgebaut hat, sondern auch dem allgemeinen Wohl in Zeiten der Bedrohung.«
»Ungefähr so lauteten auch die Worte meiner Mutter, als sie vor meiner Abreise mit mir über Euch und den Magischen Rat sprach«, erwiderte Mellis trügerisch sanft.
Herrad atmete scharf ein. »Der Magische Rat bemüht sich nach Kräften, die Dinge ins Lot zu bekommen, während Eure Mutter aus der Ferne zusieht und sich Urteile anmaßt ...«
»Lasst uns einen kühlen Kopf bewahren«, unterbrach Mellis die aufgebrachte Oberste Hexe. »Ihr wisst, dass meine Mutter – als Oberste Sprecherin meines Volkes – Eure Herangehensweise nicht billigt. Ihr hättet Anna die Kleinodien nicht nehmen dürfen, und Euer fortwährender Versuch, die Hüterin gewaltsam von ihrer Verantwortung zu entbinden, ist wider alle Vernunft.«
»Der Magische Rat hat so entschieden, weil er keinen anderen Weg gesehen hat, der Bedrohung Herr zu werden«, entgegnete Herrad. Ihre Stimme klang ruhig, aber die zur Faust geballte Hand zeigte deutlich, welche Mühe es die Oberste Hexe kostete, ihren Grimm zu zügeln. »Eure Mutter hat als Einzige gegen diesen Entschluss gesprochen – aber sie hat keine Alternative angeboten, auf die der Rat sich hätte einigen können.«
»Die Alternative lautete, die Herzen bei ihrer Hüterin zu belassen – so, wie es bestimmt ist!«, erwiderte Mellis nicht ohne Schärfe.
»Ein Kind kann diese Verantwortung nicht tragen!«
»Anna ist kein Kind mehr, sie ist eine junge Frau ...«
»... mit mangelhaften magischen Fähigkeiten und infolge ihrer Jugend auch ohne die nötige Reife und den Weitblick, der nötig wäre, um dieser schweren Aufgabe gerecht zu werden.« Herrad reckte den Kopf und funkelte die Grennach an. »Der Magische Rat mit seiner gesammelten Kraft ist kaum noch in der Lage, die Herzen zu bändigen. Ich fürchte mich vor dem, was geschehen könnte. Ich fürchte, dass diese Kräfte frei werden. Schon einmal haben sie dafür gesorgt, dass die Welt, wie wir sie kennen, fast zerstört worden wäre. Ihr kennt die Legende, Mellis! Euer Volk hat sie über all die Zeiten hinweg bewahrt, um auch die Menschen vor der zerstörerischen Kraft der Herzen zu warnen!«
Mellis erwiderte den Blick nicht minder hitzig. »Unsere Ältesten haben angeboten, dass die Hüterin mit ihren Herzen weiter bei uns leben kann. Wir haben damals dem Wunsch Eures Ordens entsprochen, weil wir glaubten, es sei für Anna besser, ihre Kräfte zu nutzen, wenn sie unter ihresgleichen lebt und lernt. Wir haben nicht damit gerechnet, dass Ihr die Hüterin beraubt und zu einer Marionette Eurer eigenen Interessen macht. Ihr spielt mit dem Feuer, und die Gefahr, auf die Ihr Euch die ganze Zeit beruft, um Euer Tun zu rechtfertigen, beschwört Ihr dadurch selbst herauf.«
Herrads Lippen wurden schmal. »Ihr Grennach behandelt uns Menschen noch immer, als wären wir unmündige Kinder. Warum könnt Ihr nicht akzeptieren, dass wir Euch inzwischen ebenbürtig sind? Unsere magischen Kräfte sind unterschiedlicher Natur – aber ich glaube einfach nicht, dass Eure Ältesten besser als wir in der Lage wären, die Herzen unter Kontrolle zu halten. Das Wagnis ist mir schlichtweg zu groß, ich kann und will das nicht verantworten. Als damals die Herzen außer Kontrolle gerieten, war es mein Volk, das beinahe ausgerottet wurde. So etwas darf sich nicht wiederholen!«
»Ich sehe, Euer Starrsinn, was das betrifft, hat sich nicht gewandelt«, sagte Mellis kalt. »Meine Mutter hat mit nichts anderem gerechnet und mir diese Botschaft für Euch aufgetragen: Hütet Euch vor dem Irrweg, auf dem Ihr Euch befindet. Der Magische Rat hat in den Augen der Grennach seine Berechtigung verspielt, für unser Volk zu sprechen und zu handeln. Wir kündigen unsere Zusammenarbeit auf bis zu dem Zeitpunkt, an dem Ihr Euch besinnt und gewillt zeigt, die Herzen ihrer rechtmäßigen Hüterin zurückzugeben.«
Herrad stieß einen erbitterten Laut aus. »Das ist inakzeptabel. Der Rat ist in seiner Handlungsfähigkeit eingeschränkt, wenn die Grennach keine Vertreterin entsenden. Das kann nicht in Eurem Interesse sein, Mellis. Ich bitte Euch, Eure Mutter umzustimmen oder ihre Zustimmung einzuholen, eine andere Angehörige Eures Volkes als Ratsmitglied zu benennen. Euch zum Beispiel.«
Mellis strich nachdenklich
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