AnidA - Trilogie (komplett)
breiten Stirn und beinahe männlich zu nennenden, herben Gesichtszügen. Die dunklen Augen wurden von dichten Brauen überschattet, und eine kräftige Nase saß über einem breiten Mund mit vollen Lippen. Ein starker, nicht unangenehmer Geruch nach herbstlichem Laub und feuchter Walderde ging von ihr aus, und sie war nach Art der Grennach gekleidet, stellte Anna überrascht fest. Die Beine der erdfarbenen weiten Hose ließen ein Paar nackte Füße sehen, ebenso kräftig wie die breiten Hände, die nun einladend auf den Tisch und die Schemel wiesen. »Setzt euch, ich habe uns Kribb bereitet.« Die Frau lächelte mit schneeweiß blitzenden Zähnen. »Das kennst du doch, Anna?«
Anna lächelte genauso breit zurück. »Ich kenne es, und ich liebe es«, sagte sie herzlich.
»Fein, dann lasst uns Kribb trinken.« Die Frau hob ohne Mühe eine große und erkennbar schwere Kanne vom Feuer und schenkte großzügig bemessene Portionen des dunklen Getränks in drei angestoßene Becher.
Anna atmete mit Wohlbehagen den herben Duft des heißen Gebräus ein, pustete sorgsam darüber und nahm dann einen vorsichtigen Schluck, der bitter-süß und kräftig über ihre Zunge rollte. »Ah, gut«, stöhnte sie und leckte sich die Lippen. »Das habe ich zum letzten Mal im Großen Nest getrunken.«
Korben nippte ein wenig misstrauisch an seinem Becher und stellte ihn dann ab. »Ich weiß nicht, vielleicht gewöhne ich mich ja an den Geschmack«, sagte er.
Anna gluckste. »Ich habe Kribb auch nicht auf Anhieb gemocht«, gab sie zu. »Dafür müsste man wahrscheinlich Grennach sein.«
Die Frau saß da, den Becher in der Hand, aus dem sie hin und wieder einen Schluck nahm, und lauschte dem Geplauder ihrer beiden Gäste. Obwohl sie nichts sagte, nur da saß und lauschte, war Anna sich ihrer Gegenwart mit übergroßer Deutlichkeit bewusst. Ihre Präsenz war beinahe greifbar; es war, als bestünde diese Frau aus einer anderen, schwereren oder dichteren Materie als die Dinge in ihrer Umgebung. Aber sobald Anna sie anblickte, sah sie nichts weiter als eine stämmige Frau mittleren Alters, nach der sie sich auf dem Markt oder in der Küche des Ordens nicht einmal umgedreht hätte, um sie eingehender zu betrachten.
Die Krähe stellte ihren Becher ab und füllte mit ihren groben Fingern eine stummelige Pfeife mit Tabak aus einem Beutelchen, das sie aus der Tasche ihrer weiten Hose geholt hatte. Sie entzündete den Tabak mit einem Span aus dem Herd, lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Küchenwand und stieß ein paar behagliche, süß duftende Rauchwölkchen aus.
Dann nahm sie die Pfeife aus dem Mund, deutete mit dem Mundstück auf Anna und fragte: »Du bist also in Schwierigkeiten?«
Anna räusperte sich unsicher unter der beinahe spürbaren Kraft, die von der Aufmerksamkeit der Frau ausging. Ihre schwarzen Augen ließen Anna nicht aus ihrem Bann, als sie jetzt die Pfeife wieder zwischen die Zähne steckte und wartete.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, begann Anna stockend und warf einen Hilfe suchenden Blick zu Korben. »Das ist alles recht schwierig zu erklären. Es begann mit meiner Großmutter ...«
Die Krähe hob eine Hand und gebot ihr Einhalt. »Deine Geschichte ist mir durchaus bekannt«, sagte sie. »Ich möchte von dir wissen, was du willst.«
»Was ... was ich will?«, stotterte Anna verblüfft.
Die Frau wartete, die Augen unter den dunklen Brauen unverwandt auf Anna gerichtet. Korben saß still da und drehte den Becher in seinen Händen. Eine Fliege summte gegen das Fenster und fand schließlich den Weg hinaus durch den geöffneten Spalt an der Seite. Die Vögel, die sich im Hof tummelten, ließen ihr Zwitschern und Rufen erklingen, und im Herd knackte die Glut.
»Ich glaube, ich will einfach nur wieder nach Hause«, sagte Anna schließlich. »Ich will das alles los sein, ich will weder die Herzen noch irgendwelche magischen Kräfte – ich will nur ich selbst sein.«
Die Krähe stieß einen Rauchkringel aus und blickte ihm mit zusammengekniffenen Augen hinterher. »So«, sagte sie. »Na, das sind ja keine großen Wünsche.«
Korben regte sich unruhig auf seinem Sitz. Anna warf ihm einen kurzen Blick zu und sah sein unzufriedenes Gesicht.
»Er versteht es nicht«, sagte die Frau. »Er wünscht sich etwas anderes als du – aber er sollte vorsichtig sein, dass sich seine Wünsche nicht erfüllen.« Sie schmauchte weiter, ohne ihre Worte zu erklären. Korben grinste ein wenig einfältig und trank eilig einen
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