AnidA - Trilogie (komplett)
vermochte, als stünden sie miteinander im hellsten Sonnenschein.
»Nicht allzu gut«, gab Anna freimütig zu. »Ich möchte von hier fort, Mellis. Sie versuchen, mir die Herzen zu nehmen.«
Mellis seufzte und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich weiß«, erwiderte sie finster. »Meine Mutter ist zutiefst betrübt über all dies. Ich bin hier, um mit der Obersten Hexe darüber zu reden.« Sie reckte sich und gähnte, dass scharfe weiße Zähne aufblitzten. »Aber jetzt muss ich ins Bett, ich bin müde wie ein Stein. Morgen früh werde ich mich mit Herrad auseinander setzen müssen, und dafür brauche ich einen klaren Kopf. Sehe ich dich dann nachmittags, Kleine? Ich habe eine ganze Tasche voller Grüße für dich mitgebracht.«
»Ich freue mich«, erwiderte Anna von Herzen. »Da ist so viel, was ich dir erzählen muss.«
Mellis wickelte ihren Schweif um Annas Handgelenk, als sie zum Haus zurückgingen. Anna genoss das feste, tröstliche Gefühl und die freundliche Wärme, die von dieser vertrauten Geste ausgingen, und sie bedauerte es, sich von ihrer Gefährtin trennen zu müssen, als die Grennach sich verabschiedete und den Weg zum Gästetrakt einschlug. »Wir sehen uns morgen, Anna«, rief Mellis ihr mit einem Winken zu, als hätte sie Annas Bedauern gespürt. Anna winkte zurück und lächelte, um Mellis' leise Sorge zu zerstreuen. Mit einem Mal merkte sie, wie müde sie war und dass der Gedanke an ihr Bett und das weiche Kissen eine starke Verlockung darstellte. Morgen war ein neuer Tag, und es würde ein guter Tag werden, das schwor sie sich.
Der morgendliche Himmel war dunstig verschleiert, es versprach wieder ein spätsommerlich schwüler Tag zu werden. Die Luft auch in den zum Garten hinausgehenden Räumen des Ordenshauses war unangenehm stickig, und deshalb empfing die Oberste Hexe ihren Grennach-Gast ohne weitere Vorrede mit den Worten: »Lasst uns hinausgehen. Ich habe Anweisung gegeben, uns im inneren Garten eine Erfrischung zu servieren.«
Mellis, die auch nach dem Schlaf noch ein wenig müde von der Reise wirkte, stimmte zu, erfreut darüber, nicht noch länger zwischen Mauern eingesperrt zu sein. Dadurch, dass sie in den Belangen der Grennach viel in der Hierarchie unterwegs war, hatte sie sich zwar recht gut an einen Aufenthalt in geschlossenen Räumen gewöhnt – aber sie hätte lügen müssen, um zu sagen, sie finde ernstlich Gefallen daran.
Der kleine innere Garten war von hohen Hecken umgeben, die in der sich erwärmenden Luft einen herben Wohlgeruch ausströmten. Bedienstete hatten zwischen zwei Bäumen ein Sonnensegel aufgezogen, unter dem ein kleiner, hübsch gedeckter Tisch mit zwei bequemen geflochtenen Sesseln auf sie wartete.
»Ihr wisst es Euch wohl ergehen zu lassen«, sagte Mellis anerkennend.
Herrad schmunzelte und schenkte der Grennach und sich selbst aus einem gekühlten Krug, auf dem Wasserperlen glänzten, einen grünlichen Saft aus frisch gepressten Früchten ein. »Glaubt nicht, dass ich jeden lieben Tag so luxuriös beginne. Für gewöhnlich säße ich jetzt an meinem Schreibtisch und quälte mich mit Verwaltungsangelegenheiten. Es ist allein Eure Gegenwart, die mir diesen vergnüglichen Morgen beschert, und ich danke Euch dafür.«
Mellis lächelte kurz und betrachtete das Spiel des Sonnenlichts auf den glänzenden Früchten, die vor ihr in einer Schale lagen. Herrad trank von ihrem Saft und beobachtete die Grennach.
»Ihr spracht von einem Anliegen, das Ihr an mich habt«, brach Mellis das Schweigen. »Wollt Ihr mir davon berichten, ehe ich zu dem komme, weswegen ich hier bin?«
Herrad hob leise befremdet die Brauen, und die Grennach ringelte mit einer entschuldigenden Geste ihren Schweif. »Verzeiht mir meine Unhöflichkeit«, bat sie. »Ich habe eine anstrengende Fahrt hinter mir und bin über einige Dinge in Sorge – aber das ist keine Entschuldigung, Euch nicht mit dem gebührenden Respekt zu behandeln, Älteste.«
Herrad nahm die Entschuldigung mit einem Neigen ihres Kopfes entgegen. »Es stimmt, dass ich eine für uns alle wichtige Angelegenheit mit Euch besprechen möchte«, kam sie nüchtern zur Sache. »Es geht um die Zusammensetzung des Magischen Rates. Die Grennach-Älteste – Eure verehrte Mutter – bleibt weiterhin bei Ihrer Weigerung, den Ratssitzungen beizuwohnen?«
»Das ist richtig. Tallis sieht keinen Grund, ihre Haltung zu ändern.«
Die Oberste Hexe seufzte. Ihr Zeigefinger strich über die beschlagene Oberfläche des Saftkruges und
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