AnidA - Trilogie (komplett)
ihm das Süppchen nicht versalzen kann.«
»Er braucht die Substanz für einen Kunden«, sagte Korben schläfrig.
»Das glaube ich ihm. Ich frage mich nur, ob sein Kunde das auch weiß – und ob ihn die Erkenntnis, was er da geliefert bekommen hat, nicht etwas zu spät ereilt.« Die Krähe rümpfte die Nase. »Ganz gleich, irgendjemand will irgendjemanden umbringen, und ich habe keine Lust, dabei die Handlangerin zu spielen.« Sie ging zur Tür. »Schlaf jetzt. Ich habe zu tun.«
Eine frühe Sonne blinzelte durch das Fenster, als Korben erwachte. Die Geräusche, die ihn geweckt hatten, deuteten darauf hin, dass jemand Wasser von der Pumpe geholt hatte und nun damit beschäftigt war, das Feuer im Herd zu entfachen.
Korben gähnte herzhaft. »Guten Morgen«, sagte die Krähe. »Wenn du dich beeilst, bist du noch pünktlich im Ordenshaus.« Korben knurrte nur und streckte sich.
»Da auf dem Tisch steht was für dich«, sagte die Krähe beiläufig und ging hinaus. Als sie wieder eintrat, stand Korben da und drehte ein versiegeltes Fläschchen zwischen den Fingern. Es sah aus wie eins von Meister Wilbers Gefäßen.
»Ist es das?«, fragte er beklommen. Die Krähe lächelte. »Ja und nein. Ich habe einen alten Bekannten um einen Gefallen gebeten – er kennt sich mit Giften aus wie kaum einer. Er hat mir etwas gemischt, was genauso aussieht, riecht und schmeckt wie das Zeug, das du besorgen sollst. Wer das hier allerdings einnimmt, wird sich ein paar Tage lang sehr krank fühlen. Vielleicht sieht es auch so aus, als würde er sterben. Aber das ist es dann.«
Korben atmete auf. »Er wird glauben, dass er zu wenig davon genommen hat.«
Die Krähe nickte. »Er wird dir keine Schuld geben. Und niemand wird sterben.«
Korben steckte das Fläschchen sorgsam ein. Dann sah er die Krähe neugierig an. »Der Bekannte, von dem du gesprochen hast – kenne ich ihn? Wo wohnt er?«
Die Krähe schnaubte. »Zu weit weg für dich«, erwiderte sie belustigt. »Ich kann mir denken, wie sehr dir an einer Bekanntschaft gelegen wäre, aber vergiss es.«
Korben biss sich auf die Lippe. »Du warst heute Nacht bei ihm«, beharrte er. »Also kann er so weit weg wohl nicht wohnen.«
»Was du alles zu wissen glaubst«, lachte die Krähe. »Aber so viel sei dir verraten: er lebt nicht hier auf dieser Welt. Du müsstest schon über die Fähigkeit verfügen, dich durch das Land zwischen den Welten zu bewegen, damit du ihn träfest.« Sie musterte ihn nachdenklich. »Aber vielleicht nehme ich dich eines Tages sogar einmal zu ihm mit. Du würdest ihm gefallen, ihr seid euch recht ähnlich.«
Korben schluckte. Sein Gesicht ließ erkennen, wie beeindruckt und neidisch er war. Die Krähe schüttelte den Kopf. »Du bist wirklich ein dummer Junge. Aber ich denke, du lernst dazu. Geh jetzt. Und denk daran, dem Gildenmeister das Fläschchen erst übermorgen zu geben. Mach ihn nicht misstrauisch damit, dass du zu schnell lieferst.«
Seit Mellis' Abreise schlief Anna unruhig. Nach dem Erwachen wusste sie zwar, dass sie geträumt hatte, konnte sich an ihre Träume aber nicht erinnern. Am Tage musste sie immer wieder an ihre Großmutter denken. Mellis hatte mit ihren Worten über die Krähe wohl eine Tür zu alten Erinnerungen aufgestoßen, aber diese Erinnerungen blieben bruchstückhaft und verwirrend.
Weil sie so mit ihren Gedanken beschäftigt war, fiel ihr nicht auf, dass Korben verschlossen und schweigsam bei ihren Treffen war und auch den Stunden Meister Wilbers seltsam geistesabwesend folgte, obwohl dieser Themen besprach, die gewöhnlich Korbens wachstes Interesse bewirkt hätten.
Einmal fragte er sie beiläufig, wann er sie denn erneut zur Krähe begleiten solle, und nahm ohne weiteren Kommentar zur Kenntnis, dass Anna ihm eine Absage erteilte. Sie wunderte sich zwar ein wenig darüber, aber weil sie müde von einer neuerlichen schlechten Nacht war, verfolgte sie den Gedanken nicht weiter. Dann blieb Korben einige Tage gänzlich dem Unterricht fern, und Meister Wilbers Schimpfen bekam den Unterton leiser Sorge.
Anna war zu müde, um sich Gedanken zu machen. »Er taucht schon wieder auf«, beruhigte sie den Heiler und sich selbst. »Du kennst ihn doch – er hat irgendetwas gefunden, das ihn alles andere vergessen lässt, und wenn er das nächste Mal erscheint, ist er ganz zerknirscht und schwört, dass dergleichen nie wieder vorkommen wird.«
Der Heiler musste lachen und widmete sich wieder seinen Breiumschlägen, bei deren Herstellung
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