AnidA - Trilogie (komplett)
ist möglich, dass er in der Festung ist, doch die Verhältnisse dort erlauben mir nicht, das von hier aus mit Gewissheit festzustellen; zu viel Störendes liegt dazwischen. Aber ich habe eben einen Freund damit beauftragt, sich ein wenig umzusehen.«
Anna runzelte die Stirn. »Wenn Korben wirklich dort ist – wie können wir ihn herausholen?«
»Ich kann ihn dort nicht einfach herauszaubern, wenn du das meinst. Wir werden erst einmal sehen müssen, wie seine Lage ist, und dann überlegen, was wir tun können. Unter Umständen können wir auch gar nichts für ihn tun.«
»Ach«, sagte Anna enttäuscht. »Aber ich dachte ...«
»... dass ich mit dem Finger schnippe, und Korben steht hier in der Küche. Anna, Magie ist nicht unbedingt das Werkzeug, das jedes deiner Probleme löst. Im Gegenteil. Wenn ich dich betrachte, sehe ich, dass die meisten deiner Probleme durch Magie überhaupt erst entstanden sind.« Sie schüttelte ernst den Kopf. »Dein Orden behauptet, vernünftig mit magischen Kräften umzugehen. Das ist ein Denkfehler. Es gibt keinen vernünftigen Umgang, was die Magie betrifft. Oder doch: möglichst die Finger davon zu lassen. Wenn du das Feuer nicht anfasst, kannst du dich auch nicht daran verbrennen.«
»Aber wozu ist sie dann gut?«, erwiderte Anna heftig. »Es gibt nun einmal magiebegabte Menschen, und wenn sie darauf achten, klug mit ihren Kräften umzugehen ...«
»Sie greifen jedes Mal in das Gefüge der Welt ein«, unterbrach sie die Krähe nicht minder heftig. »Glaube mir, das geht nicht, ohne einen Preis dafür zu bezahlen. Und manchmal bezahlt den Preis ein anderer.«
»Aber was kann man dann noch tun?«, flüsterte Anna entmutigt. »Ich lerne, eine Hexe zu sein. Wozu, wenn das stimmt, was Ihr sagt? Um keine Magie zu wirken?«
»Um zu wissen, was du anrichtest, wenn du einen Zauber wirkst. Und gut, sehr gut abzuwägen, ob er wirklich nötig ist und ob du bereit bist, dann auch den Preis dafür zu entrichten.«
Anna schüttelte den Kopf. »Das ist nicht das, was ich gelernt habe.«
Die Krähe nickte unbarmherzig. »Und das war – trotz allem, was einige von uns verbrochen haben – einer der Hauptgründe dafür, warum mein Orden so verfolgt wurde. Wir waren nicht bequem, Anna. Mahner sind nie beliebt.«
»Wenn Ihr so denkt, warum verlangt Ihr dann von mir, die Herzen anzunehmen?«, begehrte Anna auf. »Damit ist schließlich das Wirken von Magie verbunden, oder etwa nicht?«
Die Krähe ließ sich nachdenklich auf den Stuhl am Fenster sinken. Sie klopfte die Pfeife aus und legte sie auf das mit Tabakkrümeln übersäte Fensterbrett. »Die Herzen sind ein Ding für sich«, sagte sie langsam. »Nicht ganz von dieser Welt, oder über allem anderen stehend – ich weiß es nicht, obwohl ich wahrscheinlich die einzige Person auf dieser Welt bin, die wirklich etwas über die Herzen weiß. Anna, du musst herausfinden, was sie von dir wollen. Das ist die eigentliche Aufgabe der Hüterin. Herauszufinden, was die Herzen wollen, und es dann zu tun.«
Sie saß eine ganze Weile in Gedanken versunken da, die Hände still in den Schoß gelegt und den Kopf leicht geneigt. Dann richtete sie sich auf und sah Anna an. »Bist du bereit dazu?«, fragte sie eindringlich.
Anna schloss die Augen, um in sich hineinzulauschen. Unterschwellig war der singende, drängende Ruf der Herzen gegenwärtig, wie er es immer war. Wenn sie sich darauf konzentrierte, meinte sie fast, Worte verstehen zu können, aber wenn sie danach greifen wollte, wichen sie fort und lockten doch weiter.
Anna seufzte und blickte auf. »Ich weiß es nicht«, sagte sie ehrlich. »Ich fühle mich nicht stark genug dafür, aber Eure Geschichte sollte mir aufzeigen, dass es darauf nicht ankommt.«
Die Krähe lächelte schmal und erwiderte nichts.
»Was muss ich tun?«, fragte Anna entschlossen. »Es hat ja wohl keinen Sinn davonzulaufen. Sagt mir, was ich tun soll, Jinqx.«
»Ah«, sagte die Krähe belustigt. »Du gibst mir einen Namen, Anadia? Diesen Namen?«
»Ich denke, er passt zu Euch«, sagte Anna schlicht.
Die Krähe neigte den Kopf. »Danke«, erwiderte sie nicht minder schlicht. »Dein Vertrauen ehrt mich.«
»Vertrauen – ich weiß nicht, ob ich es so nennen würde. Ich habe keine große Wahl, oder?«
»Du hast immer die Wahl. Aber ich denke, du hast dich nicht falsch entschieden, ein Stück deines Weges mit mir zu gehen.« Sie erhob sich und rieb sich über die Augen. »Ich bin müde. Die letzten Tage waren anstrengend
Weitere Kostenlose Bücher