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AnidA - Trilogie (komplett)

AnidA - Trilogie (komplett)

Titel: AnidA - Trilogie (komplett) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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als er sich das erste Mal wieder zum Sitzen aufrichtete, konnte er das nur für ein paar Minuten aushalten, dann musste er sich schnell wieder ausstrecken.
    Ab da ging es langsam aufwärts. Am nächsten Tag weichte er einen Teil seines Brotes im Wasser ein und lutschte es langsam hinunter. Dann suchte er sich ein paar Strohwische aus seiner nächsten Umgebung zusammen und schlief darauf ein, als läge er im allerweichsten Himmelbett. Mit jedem Aufwachen wurde er kräftiger und gleichzeitig auch verzweifelter.
    Seine Lage war hoffnungslos. Entweder würde er hier im Verlies vermodern, weil niemand großes Interesse für einen kleinen Verbrecher aufbrachte – oder einer der Richter würde in einem Anfall von Pflichtbewusstsein die Kerker der Festung aufräumen, was für ihn wahrscheinlich den lebenslangen Aufenthalt in einem Arbeitslager oder auf einer Galeere mit sich bringen würde. Korben wusste nicht zu sagen, welche Aussicht er deprimierender finden sollte.
    Seine Mithäftlinge schienen sich, ihrem Zustand und dem Aussehen ihrer Kleidung nach zu urteilen, schon länger hier aufzuhalten. Alle paar Tage wurden ihnen Besen und Schaufeln in die Hände gedrückt, und sie mussten den Boden säubern, was immer unter Murren und Schimpfen ablief, aber immerhin für einen gewissen Grad von Sauberkeit in dem düsteren Loch sorgte.
    Den Versuch, sich die Langeweile ein wenig zu vertreiben, indem er sich mit seinen Leidensgenossen unterhielt, gab er schnell auf. Keinem von den Männern war an einem Gespräch gelegen, und einer drohte ihm sogar ein paar kräftige Maulschellen an, wenn er ihn mit seinem Gesabbel nicht endlich in Ruhe ließe.
    Korben wanderte in dem Verlies umher und warf sehnsüchtige Blicke zu den Fensteröffnungen oben an der Decke. Ab und zu sah er einen Vogel vorbeisegeln, Wolken zogen über den Himmel, und nachts blinkten Sterne und verspotteten ihn, weil er hier festsaß und sich nichts daran ändern ließ.
    Also verbot er sich das Grübeln, zog sich auf sein dürftiges Strohlager zurück, kratzte ein paar Felder in den Staub zu seinen Füßen und spielte mit Strohhalmen und kleinen Steinchen »Hase und Bauer« gegen sich selbst.
    An einem der endlosen Tage verirrte sich ein kleiner Vogel durch eine der Öffnungen in das Verlies und zog oben unter der Decke seine Kreise. Zwei der Gefangenen – jüngere Männer, die weniger abgestumpft waren als der Rest, und die es wohl auch gewesen waren, die dafür gesorgt hatten, dass Korben in den ersten Tagen Wasser und Brot bekam – sprangen auf und versuchten, den Vogel zu fangen. Das war natürlich von vorneherein zum Scheitern verurteilt, denn das Tierchen flog weit außerhalb ihrer Reichweite, und sie hatten keinerlei Werkzeug, mit dem sie ihn hätten einfangen können. Die älteren Häftlinge protestierten wegen der Unruhe, aber die beiden jungen Männer setzten sich erst wieder hin, als der kleine Vogel den Ausweg durch eine der Öffnungen fand und davonflog. Korben sah ihm nach, und sein Herz zersprang beinahe vor Sehnsucht nach einem freien Himmel und frischer Luft. Er schloss die Augen und stellte sich vor zu fliegen. Er breitete die Flügel aus, große, mächtige Schwingen, sprang vom Boden hoch und schlug kräftig mit den Flügeln, um Höhe zu gewinnen. Die Luft sauste um seinen Kopf, und er wiegte sich auf dem Wind. Unter ihm lag die Stadt, er flog über den Hafen und dann hinaus aufs Meer, unter sich nichts als die bewegte blaue Fläche mit kleinen weißen Schaumkronen, und über sich der endlose Himmel ...
    Es war tiefe Nacht, als er mit einem Ruck erwachte. Etwas Hartes hatte sich mehrmals schmerzhaft in seine Hand gebohrt. Er setzte sich auf und rieb die schmerzende Stelle, während er versuchte, in der Finsternis zu erkennen, was ihn da geweckt hatte.
    Etwas kratzte über den Stein, er hörte ein kurzes Flattern, und dann landete etwas auf seinem Knie, das sich mit spitzen Krallen daran festklammerte. Korben seufzte erschreckt auf, aber erneut berührte – diesmal nicht ganz so unsanft – das Harte seine Hand. Korben streckte die Hand aus und fühlte Federn in seinen Fingern. Auf seinem Knie saß ein Vogel, und zwar ein recht großer.
    »Was ist das?«, murmelte er halblaut. Er spürte, wie das Tier sein Gewicht verlagerte. Ein winziges Licht glomm auf, dessen Ursprung ihm verborgen blieb, und ließ ihn sehen, was er bereits gespürt hatte. Die Krähe, die auf seinem Knie saß, legte den Kopf schief und sah ihn starr und beschwörend an. Dann

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