AnidA - Trilogie (komplett)
sprang sie auf den Boden und schüttelte sich. Vor Korbens erstaunten Augen veränderte sich ihre Gestalt, sie wuchs in die Höhe und in die Breite und wurde menschenähnlich. Die Verwandlung vollzog sich in vollkommener Stille, und Korben schlug eine Hand vor den Mund, um seine Mitgefangenen nicht durch einen unbedachten Ausruf zu wecken. Das hier war große, wunderbare Magie, und sein Herz jubelte bei dem Anblick.
»Schön«, flüsterte die Krähe und sah ihn immer noch starr und beschwörend an. »Meine Freunde haben dich gefunden. Und jetzt müssen wir zusehen, wie wir dich hier herausholen. Das wird ein ordentliches Stück Arbeit!«
Sie seufzte leise und hockte sich neben ihn. »Du musst jetzt sehr schnell lernen«, flüsterte sie. »Für das, was ich von dir verlange, benötigt selbst ein ausgebildeter Hexer seine ganze Kraft und all sein Können – und du kennst noch nicht einmal die Grundbegriffe der Magie. Aber ich denke, du hast gute Voraussetzungen, es zu schaffen. Es bleibt dir auch nicht viel anderes übrig, wenn du von hier fort willst.«
Korben sah in der Dunkelheit ihre Zähne blitzen. »Du hast gut lachen«, murmelte er. »Wie lange bitte ich dich schon darum, mich zu unterrichten? Wenn du damit etwas eher angefangen hättest ...«
Die Krähe schüttelte den Kopf. »Das ist jetzt nicht wichtig. Zuerst muss ich wohl oder übel mit dir über deine Eltern reden.«
»Was?« Korben starrte sie an. »Ich habe keine Lust, jetzt Ahnenforschung zu betreiben. Ich will hier raus!«
»Deshalb müssen wir über deine Abstammung reden.« Die Krähe lehnte sich gegen die rauen Steine der Wand und streckte die Beine aus. Sie tastete nach ihrer Pfeife, ließ sie dann aber in der Tasche. »Ich kannte deinen Vater.«
»Mein Vater ist tot«, sagte Korben trotzig. Sein fedriges Haar schien an Glanz verloren zu haben und hing ihm müde in die helle Stirn.
Die kantigen Züge der Krähe zeigten sich ungewohnt weich und mitfühlend. »Ich weiß. Ich habe deinen Vater gut gekannt.« Sie suchte nach Worten. »Er war einst mein Schüler. Er ...«
Korben unterbrach sie. »Er war ebenfalls ein Magier?«
Jinqx nickte, aber ihre Miene hatte sich umwölkt. »Ein Magier, das ist richtig. Ich habe selten einen jungen Mann erlebt, der ein solches Talent, solche Fähigkeiten und solche magische Kreativität mitbrachte wie er.«
Wieder griff sie nach ihrer Pfeife, als suchte sie Halt an etwas Vertrautem. Sie blickte durch Korben hindurch auf etwas, das nur sie sehen konnte. Der junge Mann wartete voller Spannung darauf, dass sie fortfuhr.
»Mein Orden wird immer noch verfolgt.« Ihre Stimme war so leise, dass Korben sich vorbeugen musste, um sie zu verstehen. »Man hat uns gejagt, bis uns kein Schlupfwinkel auf dieser Welt mehr blieb. Bei den Grennach war ich immer noch willkommen, aber ich eigne mich nicht recht dazu, für immer auf einem Baum zu leben. Also ging ich auf die Suche nach einem Ort, an dem ich bleiben konnte, und schließlich war da eine Welt, in der ich mich willkommen fühlte.« Sie vollführte eine winzige, kreisende Geste mit der Hand. »Sehr nahe unserer Welt, sehr ähnlich. Sogar die Magie fühlte sich dort beinahe an wie die unsere. Zum ersten Mal nach langen Jahren des Umherirrens wagte ich es dort, mich wohl zu fühlen und wieder zu leben.«
Sie machte eine lange Pause. »Dein Vater stammte von dort.«
Korben fühlte, wie eine Gänsehaut über seinen Rücken und seine Arme lief. »Wie meinst du das?«, fragte er.
Die Krähe achtete nicht auf ihn; sie war zu tief in Erinnerungen versunken, die schmerzlich zu sein schienen.
»Er gehörte zum Clan der Raben«, fuhr sie fort. »Von seinem Vater habe ich gelernt, was es heißt, ein Vogel zu sein.« Sie lächelte. »Es war übrigens sein Vater, Ludin, der mir das ›Gift‹ für den Gildenmeister mischte.« Für einen Moment kehrte sie aus der Vergangenheit zurück und musterte Korben scharf.
»Mein Großvater«, murmelte der junge Mann halb betäubt. »Das heißt, er lebt noch?«
Jinqx nickte und sprach weiter. »Ich habe lange beim Clan der Raben gelebt und deinen Vater dort aufwachsen sehen, und als seine Fähigkeiten sich immer deutlicher zeigten, fing ich an, ihn zu unterrichten. Ludin hatte nichts dagegen – er war selbst von großer magischer Begabung, aber seine ganze Liebe galt den Kräutern und Essenzen, heilenden und tödlichen, die er der Natur abgewann. Er war mit Leib und Seele Apotheker.«
Korben schüttelte stumm den Kopf. Die Krähe
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