AnidA - Trilogie (komplett)
habe es ihm immer versagt, aber jetzt bekommt er doch noch seinen Willen.«
Anna sah sie neugierig an, aber als sie fragen wollte, welche Verwandlung Jinqx denn meinte, riss ein gewaltiges Gähnen ihre Kiefer auseinander.
»Ruh dich aus«, wiederholte Jinqx sanft. Sie wies auf eine Ecke des Raumes, auf ein spartanisches Lager aus Stroh und Decken. Anna blinzelte verblüfft, denn nichts davon hatte sich noch vor ein paar Atemzügen dort befunden. Aber dann, mit einem Mal zu müde, um sich über irgendeinen Zauber den Kopf zu zerbrechen, ließ sie sich auf das Lager sinken, zog die Decke über den Kopf und war im nächsten Moment auch schon eingeschlafen.
Als sie erwachte, wusste sie nicht, wo sie war. Sie hatte geträumt, und ihr Traum setzte sich auch im Aufwachen noch fort. Grünlich goldenes Licht umgab sie, und sie hörte das leise Rauschen von Blättern und Knarren von Ästen im Wind; der Boden schien sich leicht unter ihr zu bewegen, und sie streckte sich wohlig und blinzelte durch die Wimpern, weil sie erwartete, helles Sonnenlicht durch das Flechtwerk ihrer Schlafkugel filtern zu sehen. Der Traum vom Großen Nest der Grennach war sehr wirklichkeitsnah gewesen, und sie brauchte einige Atemzüge lang, um sich zurechtzufinden. Das grünliche Licht des Nachmittags drang durch ein kleines Fenster, und das, was sie für das Rauschen der Blätter gehalten hatte, war das Geräusch des nahen Meeres. Der Wind musste umgeschlagen sein, dass das Meeresrauschen sogar hier mitten im Hafenviertel so deutlich zu vernehmen war.
Anna setzte sich auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Als sie aus dem Fenster blickte, sah sie in einen stillen, ruhigen Garten, in dem sich kein Blättchen regte, obwohl der Himmel mit seinen zerzausten, eiligen Wolken und den vorbeitreibenden Möwen deutlich anzeigte, dass draußen ein starker Wind blies.
»Kein gutes Reisewetter«, sagte die Krähe, die soeben die Tür geöffnet hatte, um nach ihr zu sehen. »Komm, wir haben Besuch.«
Am Küchentisch saß Mika und drehte einen Becher zwischen den Fingern, den er misstrauisch beäugte, als könnte er Gift enthalten. Als er Anna erblickte, entspannte sich seine Miene, und er lächelte erleichtert. »Ich hab mir Sorgen gemacht«, sagte er ohne Gruß. »Es ziehen Hexen und Graue Magier durch die Stadt und suchen nach ihr.« Sein Blick zuckte zu Jinqx hinüber und gleich wieder fort.
»Und bei all dem Misstrauen, das er mir gegenüber hegt, war er immerhin so anständig, mich zu warnen«, meinte die Krähe mit leisem Spott.
»Ich habe befürchtet, dass Anna bei Euch sein könnte«, erwiderte der junge Mann heftig. »Und ich hatte Recht!«
»Sie werden mich nicht so schnell finden«, beruhigte Jinqx die beiden jungen Leute. »Ich habe bereits Vorsorge getroffen, dass die Suche noch eine ganze Weile in die Irre geht. Wir benötigen schließlich etwas Vorbereitungszeit.« Ohne ein weiteres Wort verließ sie die Küche.
Mikas Blick bat Anna um Aufklärung. Sie hob kurz die Schultern und lächelte ihn an. »Sie hat einen Plan, Korben zu befreien, und ich soll ihr dabei helfen«, flüsterte sie. »Sie hat wohl auch schon mit ihm gesprochen – aber ich weiß immer noch nicht, was sie vorhat.«
Mika schüttelte unglücklich den Kopf. »Sei vorsichtig, bitte«, flehte er.
Anna legte besänftigend eine Hand auf seine. »Ich werde alles tun, um Korben aus seiner Klemme zu helfen. Alles Weitere wird sich finden.« Sie zögerte. »Mika, wir werden alle von hier fortgehen. Jedenfalls für eine Zeit, bis die Wogen sich geglättet haben. Meinst du, du kommst klar?«
Der junge Mann nickte nur, stumm und unglücklich. Anna klopfte ihm auf die Hand und drehte sich dann zu Jinqx um, die wieder eingetreten war. Sie hielt ein Bündel in den Händen, das aus alten Kleidern zu bestehen schien.
»Auf jetzt«, sagte sie energisch. »Wir müssen ans Werk, Anna. Jede weitere Verzögerung würde uns schaden.«
Mika verstand den Wink und erhob sich hastig. »Wann sehen wir uns wieder?«, fragte er.
Anna schüttelte traurig den Kopf. »Ich weiß es nicht. Aber wir sehen uns ganz bestimmt wieder, das verspreche ich dir.«
Der Nebenraum war wieder vollkommen leer, die Bettstelle verschwunden. Jinqx breitete das Bündel auf dem Boden aus – es waren alte, mottenzerfressene Kleidungsstücke. Anna betrachtete sie näher und sah, dass die Lumpen über und über mit winzigen schwarzen Federn besetzt waren. Fragend blickte sie Jinqx an.
»Das hilft dir vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher