AnidA - Trilogie (komplett)
ein wenig. Ich möchte, dass du dich hinlegst und hiermit zudecken lässt.« Anna schauderte zurück, aber die Krähe hielt sie fest. »Hab keine Furcht, es geschieht dir nichts Übles. Du wirst nur eine sehr fortgeschrittene Verwandlung lernen, und diese Sachen hier haben eine gewisse Kraft. Sie gehörten einst meiner Lehrerin.«
Anna gehorchte widerwillig. Die staubigen Fetzen kitzelten in ihrer Nase und überall, wo sie ihre Haut berührten.
»Jetzt versenke dich und suche in deinem Inneren nach dem Punkt, den du bei der Verwandlung des Steins kennen gelernt hast«, befahl die Krähe.
Anna ließ sich hinabsinken und vergaß das kitzelnde Federkleid. Es fiel ihr erstaunlicherweise nicht schwer, den Punkt zu finden. »Ich bin da«, flüsterte sie atemlos.
»Gut. Fühlst du die Federn?« Anna nickte. »Berühre nun den Verwandlungspunkt und stell dir vor, du seiest ein Vogel. Für jetzt ist es ganz gleich, welch einer – nimm einen, den du dir leicht vorstellen kannst.«
Anna schluckte schwer. Die Verwandlung in ein Tier war etwas, das gewöhnlich nur ausgebildeten Hexen gelang, und beileibe nicht jede beherrschte diese Kunst.
Sie verdrängte die Gedanken und konzentrierte sich auf die Verwandlung. Vor ihrem inneren Auge erschien ein kleiner, bräunlich grüner Vogel, den sie als Kind oft zu Hause im Garten gesehen und wegen seines fröhlichen Gesanges sehr geliebt hatte.
Die Federn kitzelten stärker, so stark, dass sie sich am liebsten gekratzt hätte. Sie übte Druck auf den verwandelnden Punkt aus und schob diesmal, statt daran zu ziehen. Er gab zögernd nach, und die Energie, die sie dabei durchzuckte, ließ sie vor Schmerz und Überraschung laut aufschreien. Durch ihre geschlossenen Lider drang ein helles Licht, das aufflammte und gleich wieder verlosch.
»Das wäre nicht nötig gewesen«, sagte Jinqx freundlich. »Aber ich sehe, du hast auch genügend Kraft für eine größere Verwandlung, wenn so viel abgeleitet werden muss.«
Anna öffnete die Augen und sah sich verwundert um. Alles sah verschoben und verändert aus, die Farben waren verblasst, dafür erschien alles, was sie betrachtete, viel schärfer und näher – und gleichzeitig war auch alles um sie herum in die Höhe und Breite gewachsen.
Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, und eine Kette perlender Laute erklang aus ihrer Kehle. Erschreckt sprang sie auf, breitete die Flügel aus und flog eine ungeschickte Runde durch das leere Zimmer, ehe sie an eine Wand stieß und zu Boden fiel.
Eine große Hand näherte sich und nahm sie auf. Sie zappelte und pickte mit ihrem Schnabel gegen die Finger.
»Ruhig, Kind«, sagte die Krähe. »Das ist beim ersten Mal alles sehr verwirrend. Deshalb solltest du jetzt zurückkommen. Fürs Erste muss das genügen.«
Anna wurde behutsam auf dem Boden abgesetzt. Sie spürte, wie ihr Herz schlug, viel schneller als gewöhnlich. Dann schloss sie die Augen und suchte den Punkt. Ein kleiner Ruck, viel weniger schwierig zu bewerkstelligen als zuvor, und die Welt war wieder normal. Hastig stand sie auf und befühlte ihre Glieder.
»Gut hast du das gemacht.« Jinqx hockte ruhig da und beobachtete sie. »Wenn du es dir zutraust, werde ich dir heute noch zeigen, wie du die Verwandlung besser steuern kannst. Und dann müssen wir wohl oder übel richtig fliegen lernen. Aber das geht schnell, du wirst schon sehen.«
Anna schöpfte tief Luft. »Und so holen wir Korben aus der Festung?«, fragte sie ruhig.
Die Krähe nickte. »Genau so. Er lernt schnell, fast so schnell wie du. Heute Nacht bin ich wieder bei ihm, und morgen Nacht kommst du vielleicht schon mit. Ich brauche deine Kraft, um ihn auf einen längeren Weg vorzubereiten. Er ist in einem recht geschwächten Zustand, denn er hatte eine üble Kopfverletzung, die noch nicht ganz ausgeheilt ist.«
»Und wohin werden wir dann gehen? Kann ich jemals wieder zum Orden zurückkehren?«
Die Krähe schwieg. Anna seufzte, denn was die Oberste Hexe von all dem halten würde, war nur zu klar. Wenn Anna nicht bald ins Ordenshaus zurückkehrte, brauchte es keine große Magie, um eine Verbindung zu den verschwundenen Herzen herzustellen. »Ich kann nicht mehr zurück«, sagte sie leise.
»Willst du das denn überhaupt?«, fragte Jinqx. »Welche Seite deiner Kraft hast du zu nutzen gewusst?«
Anna blickte sie groß an. »Wie meint Ihr das?«, fragte sie unsicher. Die Krähe lächelte und schüttelte den Kopf.
»Ruh dich noch ein wenig aus. Dort auf dem Herd steht Suppe,
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