AnidA - Trilogie (komplett)
ihre Pfeife. Sie blinzelte zu Anna hoch und machte eine einladende Handbewegung. Die junge Frau hockte sich neben sie und faltete die Hände im Schoß.
»Die Grennach-Ältesten gehen gerade anderen Geschäften nach.« Jinqx schob ihre Pfeife in den Mundwinkel und faltete die Hände hinter dem Kopf. »Der Magische Rat sendet ständig beunruhigte Botschaften und fordert die Hilfe der Grennach bei seiner Suche nach den Herzen.«
»Und jetzt hätten die Grennach gern, dass ich die Herzen wieder finde«, folgerte Anna.
Jinqx lächelte dünn. »Nicht, um dem Magischen Rat zu gefallen. Aber es muss etwas geschehen, die Grennach-Ältesten sind beunruhigt. Sie sagen, das Gleichgewicht sei empfindlich gestört – schon seit geraumer Zeit –, und dies habe sich seit dem Verschwinden der Herzen nicht gebessert. Im Gegenteil.«
»Welches Gleichgewicht?«, fragte Anna.
Die Krähe hob die Schultern. »Das ist schwer zu erklären. Ich kann den Grennach-Begriff dafür nicht richtig übersetzen, aber es gibt wohl Strömungen im magischen Gefüge, die ausbalanciert sein müssen, damit der Fluss erhalten bleibt.« Sie schmunzelte, als sie Annas ratlose Miene sah. »Kümmere dich nicht darum. Es ist einfach wichtig, dass du noch mal hinabgehst und versuchst, den Kontakt mit den Herzen zu schließen. Du hast sie schon einmal zu dir gerufen. Du wirst es wieder tun können.«
Anna verzog zweifelnd das Gesicht. »Ich bin froh darüber, dass ich nicht mehr als magischer Krüppel herumlaufen muss«, sagte sie leise. »Korben hat mir den Mund wässrig gemacht und gesagt, Ihr würdet uns beide in der Kunst unterrichten.« Sie warf einen Blick auf das Gesicht der Krähe, doch die gab auch nicht mit der kleinsten Regung zu verstehen, was sie davon hielt. »Aber die Herzen«, fuhr Anna eilig fort, »ich glaube nicht, dass ich es schaffe, sie noch einmal zu erreichen. Sie sind so weit fort, so weit ...«
»Du bekommst Hilfe.« Die Krähe klopfte ihre Pfeife aus und hielt Anna die Hand hin. Anna legte zögernd ihre Hand hinein und fühlte, wie kräftige Finger sie warm umfassten. »Hab keine Angst. Angst ist das Einzige, was dich behindern kann. Ich bin bei dir – und Tallis ebenfalls. Die Grennach sind wirklich begabte Magier, auch wenn sie davon kaum Gebrauch machen. Wir Menschen haben diese Fähigkeit von ihnen gelernt, aber im Vergleich zu ihnen sind selbst die Begabtesten unter uns nur Kinder.«
Sie stand auf, und Anna folgte ihr mit klopfendem Herzen. Sie hatte Angst, ganz gleich, was Jinqx auch sagte. Das Erlebnis, dort in der finsteren Leere nach den Herzen zu suchen, war zu erschreckend und zu schmerzhaft gewesen. Alles in ihr sträubte sich dagegen, diesen Versuch noch einmal unternehmen zu müssen. Der innerste Kern ihres Wesens, der ihre Kraft und ihre magischen Fähigkeiten ausmachte, schien nicht mehr ihr allein zu gehören, sondern war fremdes und gefährliches Gebiet geworden, kaum, dass sie die ersten zaghaften Schritte zu seiner Erkundung unternommen hatte.
Jinqx führte sie zu einer Baumhöhle, wie sie von den Grennach nur selten und dann meist als Vorratskammern genutzt wurden. Die Baumbewohner fühlten sich nicht wohl, wenn sie nicht den Himmel sehen konnten – und sei es durch das lockere Flechtwerk einer Nestkugel.
Anna verspürte einen ähnlichen Schauder, als sie jetzt hinter der Krähe durch den schmalen Eingang trat. Die Baumhöhle bot leicht fünf oder mehr Personen Platz. Einige weiche Decken waren auf dem Boden ausgelegt, und eine Hand voll Glühsteine verbreitete ihr mildes Licht; sonst war die Höhle leer. Jinqx ließ Anna auf einer der Decken Platz nehmen und sah sich um. »Gut, hier bleiben wir sicher ungestört. Ich möchte jetzt mit dir hinuntergehen und sehen, was du siehst, wenn du nach den Herzen suchst. Streng dich nicht an, sie zu rufen, schau dich nur um und lass mich zusehen. Es ist am besten, wenn du dich dazu an mich lehnst.« Sie nahm hinter Anna Platz und umfing sie mit ihren starken Armen. Anna blieb zuerst ein wenig steif hocken, dann schimpfte sie sich eine Angsthäsin und entspannte sich in der schützenden Umarmung. Sie schloss die Augen, und Jinqx bedeckte sie mit einer Hand. Sie sagte nichts, aber Anna wusste, was sie zu tun hatte. Sie entließ ihren Atem und tauchte tief hinab.
Der Anblick der wirbelnden, weiß-schwarz blitzenden Kugel, die seit dem letzten Mal sogar noch größer und beängstigender geworden war, erschreckte sie erneut. Sie spürte Jinqx' festen Griff, der ihr
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