AnidA - Trilogie (komplett)
meiner Schulter und drehte mich zum Lift. Er schien genauso kräftig zu sein, wie er aussah. Wahrscheinlich wäre es ihm ein Leichtes gewesen, mich mit einer Hand durch das nächste Fenster zu werfen, wenn man es ihm befohlen hätte.
Wir fuhren schweigend in einem alten, klappernden und ratternden Lift bis ins oberste Stockwerk hinauf. Der Gorilla stemmte die klemmende Lifttür auf und wies mir stumm den Weg. Ich trat in den Gang hinaus und bemühte mich, mir meine Überraschung nicht allzu deutlich anmerken zu lassen. Der Boden war mit einem königsblauen, lebenden regulanischen Teppich bedeckt, an den dezent beleuchteten cremefarbenen Wänden hingen einige der teuersten und berühmtesten Gemälde, die in den letzten fünf oder sechs Jahren aus Museen des Kaiserreiches verschwunden waren, und die Türen, an denen ich vorbeikam, waren mit kostbaren Intarsien aus Gold und rigelianischem Elfenbein verziert. El Buitre war allem Anschein nach ein Mann mit viel Geld und einem pompösen Geschmack.
Wir hielten vor der Tür am Ende des Korridors. Der Gorilla klopfte leise an, obwohl die Kamera über der Tür unsere Ankunft längst gemeldet haben durfte. »Herein«, erklang es gedämpft von drinnen. Er öffnete die Tür und bedeutete mir, einzutreten.
Auch dieses Zimmer, falls diese Bezeichnung einem Raum mit derartigen Ausmaßen überhaupt angemessen sein konnte, war mit dem leicht federnden lebenden Teppich bewachsen, diesmal in der Farbe von teurem altem Bordeaux. Auf einem der unzähligen Sofas, die überall im Raum verstreut standen, lagerte eine schlanke, in einen schwarz-goldenen Morgenrock gekleidete Gestalt und nippte aus einem überdimensionierten Cognacschwenker, den sie zwischen überaus langen, dürren Fingern hielt.
El Buitre war angeblich ein illegitimer Spross eines Angehörigen des terranischen Hochadels und seiner stocellitischen Mätresse – ein unbestätigtes Gerücht, das allerdings einiges für sich zu haben schien, wenn man sich den Mann ansah. Er hatte die charakteristische bleiche Haut und die scharfen Gesichtszüge eines Stocelliten, allerdings durch sein terranisches Erbe etwas gemildert. Dennoch sprang die riesige Nase vor wie der Schnabel eines Geiers – keine Frage, wie er an seinen Spitznamen gekommen war. Auch der überschlanke Körperbau deutete auf die nicht menschliche Abstammung hin, allerdings waren die dunklen, ironischen Augen in dem blassen Gesicht und die dichten schwarzen Haare wiederum eindeutig terranisch: Stocelliten waren gewöhnlich unbehaart und helläugig.
Ich bemühte mich, den Mann nicht allzu neugierig anzustarren, was mir nicht leicht fiel. Eine unbedeutende NonHab aus den Clouds stand schließlich nicht jeden Tag dem ungekrönten Herrscher des dunkleren Teils ihrer Welt gegenüber.
»Nimm Platz«, sagte der Geier freundlich. »Möchtest du eine Erfrischung?« Ich verneinte und versank in den weichen Polstern eines niedrigen Diwans. Stühle schien es in diesem Raum nicht zu geben. »Aber einen Kaffee darf ich dir doch anbieten?« Er wartete meine Antwort nicht ab, sondern schenkte mir aus einer goldenen Kanne ein. Ich nahm die hauchdünne Porzellantasse dankend entgegen und wusste genau, dass ich mich entweder von oben bis unten mit Kaffee bekleckern oder die Tasse zerschmeißen würde. Ich hielt mich entschieden zu selten in einer solch luxuriösen Umgebung auf, um nicht mit Recht zu befürchten, dass ich mich bis auf die Knochen blamieren würde.
El Buitre sank zurück in die Kissen und wärmte sein Glas zwischen den Fingern. Er atmete genüsslich den Duft des Getränkes ein und sah mich währenddessen unverwandt an.
»Also, Eddy, was hast du Schönes für mich?« Ich zuckte zusammen, und etwas von dem heißen Kaffee landete auf meinem Bein. Ich hatte es ja geahnt. Woher wusste der Kerl bloß meinen Namen? Ich sah sein schmales Lächeln und riss mich zusammen. Wortlos schob ich die IdentiCard über den niedrigen Tisch, der zwischen uns stand. Der Geier sah reglos darauf nieder und nahm sie dann behutsam zwischen seine dürren Finger, um sie nah an die Augen zu führen.
»Interessant.« Seine Stimme klang äußerst gelangweilt. Er warf mir die Card zu und widmete sich wieder seinem Cognac.
»Das ist noch nicht alles.« Ich führte meine Tasse zum Mund. Meine Hand war nicht die ruhigste, wie ich besorgt feststellen musste. »Ich habe seine komplette Brieftasche mit dem kaiserlichen Siegel und einigen verschlüsselten Botschaften, die für den Administrator
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