AnidA - Trilogie (komplett)
die Schenke, in der sie mit Torben verabredet war, und setzte sich in einen ruhigen Winkel, nachdem sie mit einem schnellen Blick in die Runde festgestellt hatte, dass der Ritter nicht vor ihr eingetroffen war.
Die zimtfarben behaarte Grennach-Wirtin servierte ihr einen Humpen Würzbier. Ida lehnte sich behaglich zurück. Eigentlich seltsam, selbst hier, im Grennach-Land, hatte sie noch kein einziges männliches Mitglied des kleinen Volkes zu Gesicht bekommen. Woran mochte das liegen? Sie versuchte, sich die wenigen vagen Äußerungen ins Gedächtnis zu rufen, die Mellis über die Grennach-Männchen gemacht hatte, als sie Torben mit suchendem Blick die Schenke betreten sah. Ida hob die Hand. Er nickte zum Zeichen, dass er sie erkannt hatte, und steuerte auf sie zu. Ida sah erheitert, dass der Ritter seine helle Ordenstracht abgelegt und gegen ein etwas schäbiges Lederwams und eine verschossene und mehrfach geflickte dunkle Hose ausgetauscht hatte.
»Incognito, edler Ritter?«, zog sie ihn auf, als er sich ihr gegenüber auf die Bank fallen ließ.
Er sah sie mürrisch an, musste dann aber wider Willen lächeln. »Nun ja«, gab er zu. »Der Hochmeister sieht es nicht gerne, wenn seine Ritter sich in Schenken herumtreiben.« Er hob die Hand und signalisierte der Wirtin, dass er das Gleiche wünschte wie Ida. Sie tranken schweigend und musterten sich nicht ohne Sympathie.
Torben wischte sich den Mund und verschränkte die Arme. Er sah Ida unter zusammengezogenen Brauen her an und schien über etwas nachzugrübeln. Ida ließ ihm Zeit. Sie trank gelassen von dem kräftigen Würzbier und ließ ihre Blicke durch die sich füllende Schenke wandern.
»Also gut«, sagte Torben endlich und beugte sich vor. »Warum erkundigt ihr Euch nach Simon? Was wollt Ihr von ihm?« Ida sah das Misstrauen in seinen lichtbraunen Augen und schürzte die Lippen. Wahrscheinlich kam sie mit der Wahrheit am weitesten.
»Ich bin die Tochter des Lords von Sendra«, begann sie und legte dem Ritter warnend eine Hand auf den Unterarm, da er aufgebracht hochfahren wollte. »Nicht die ›entehrte Jungfer‹«, setzte sie hastig hinzu. »Ich habe Euch nicht belogen, Herr Torben. Ich bin Amalis Schwester Ida.«
»Die Prinzessin«, sagte Torben überrascht. »Ich hatte mir Euch anders vorgestellt.«
Jetzt war es an Ida, verblüfft dreinzuschauen. »Woher ...«, begann sie und lachte dann ärgerlich auf. »Hat er sich über uns im Orden das Maul zerrissen?«
Torben schüttelte sehr ernst den Kopf. »Im Gegenteil«, sagte er. »Ich bin – ich war sein Freund. Wir waren zusammen Novizen und haben auch gemeinsam unser Gelübde abgelegt.« Sein hässliches, angenehmes Gesicht zeigte einen bedrückten Ausdruck. Ida sah ihn abwartend an. »Er hat mir ein wenig von dem erzählt, was auf Sendra vorgefallen ist«, fuhr Torben fort. »Wobei ich glaube, dass ich nur eine bereinigte Fassung zu hören bekommen habe. Selbstkritik war noch nie Simons starke Seite.« Er verstummte ein wenig verlegen und leerte seinen Humpen.
»Er ist schon lange nicht mehr beim Orden?«, fragte Ida behutsam nach. Torben schüttelte den Kopf und deutete fragend auf Idas geleerten Krug, bevor er der Wirtin winkte. »Und bringt uns auch noch etwas Brot und Käse«, rief er der Grennach hinterher.
»Er hat uns verlassen, nicht lange, nachdem er aus Sendra zurückgekehrt ist. Ich weiß es nicht sicher, aber ich glaube, er ist nicht freiwillig gegangen. Wahrscheinlich hat Hochmeister Gareth es ihm nahe gelegt. Sein Lebenswandel war – nun ja – nicht ganz makellos.«
»Das ist sicher noch milde ausgedrückt«, sagte Ida ironisch. »Seine Auslegung der Ordensregeln erschien sogar mir damals etwas eigenwillig.« Über Torbens dunkles Gesicht glitt ein hilfloses Lächeln. Die Wirtin brachte ihre Bestellung. Sie schwiegen gedankenverloren, während sie von dem groben, nach Nüssen schmeckenden dunklen Brot und dem bröckeligen weißen Schafskäse aßen.
»Warum sucht Ihr ihn?«, wiederholte Torben schließlich seine anfängliche Frage. »Geht es immer noch um Eure Schwester? Nach all den Jahren, dachte ich ...«
»Nein, nein«, beruhigte Ida ihn. »Mein Vater hat sich alle Mühe gegeben, die Sache zu vertuschen, und Amali ist längst verheiratet. Glücklicherweise war Amalis Verlobter sehr viel nachsichtiger, als sie es meiner Meinung nach verdient hatte.«
Torben regte unbehaglich die Schultern. »Ich bin erleichtert, das zu hören«, sagte er leise. »Es hat mich bedrückt, obwohl
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