Anidas Prophezeiung
sie bei dir?« Ida schien zu wissen, was gemeint war, und nickte unbehaglich.
»Ich habe festgestellt, dass ich mich nur sehr ungern von ihnen trenne«, sagte sie leise. »Es verursacht mir Unbehagen, wenn ich sie nicht bei mir trage.« Sie nestelte an ihrem Hemdauschnitt herum und zog einen Lederbeutel hervor, aus dem sie zwei in Stoff gewickelte Gegenstände schüttelte. Sie legte sie zögernd auf den Tisch und ließ ihre Hand einen Moment lang auf ihnen ruhen, ehe sie sie mit einem ergebenen Seufzer ihrer Tante hinschob.
Ich beugte mich gespannt nach vorne und bemerkte, dass Tallis es mir gleichtat. Wir sahen uns an, und Tallis lächelte mit deutlicher Anspannung in ihren Augen. »Ist es das, was ich zu spüren glaube?«, fragte sie gedämpft. »Ich sehe die Farben, Ylenia.«
Die andere antwortete ihr nicht. Sie griff sehr behutsam nach den eingewickelten Päckchen und schlug den Stoff beiseite. Ich sah, dass Ida ihre Hände ineinander verkrallte und aus der Wäsche guckte, als würden ihre Zehen langsam auf kleinem Feuer geröstet. Sie zuckte zusammen, als Ylenia die Gegenstände in die Hand nahm, und schloss die Augen. Ich starrte wie die anderen fasziniert auf die Schmuckstücke, die Idas Tante hochhielt. Eines von ihnen war mit roten Steinen besetzt und das andere mit blauen, beide waren von ovaler Form und sahen Tallis' alter grüner Brosche verdammt ähnlich. Ich bemerkte, dass Ylenia eine größere, farblose Schwester von ihnen auf der Brust trug. Was war das, der hiesige Modeschmuck? Der diesjährige Schrei auf dem Silberdraht-Sektor?
Ylenia sah mich auffordernd an. Ich wusste, was sie wollte, aber es widerstrebte mir genauso wie Ida, mich von ihr zu trennen. Zögernd fischte ich die Brosche aus meiner Jacke und schob sie Ylenia über den Tisch. Ylenia legte sie zu einem funkelnden Dreieck aus: Rot und Blau und Grün. Es sah toll aus.
Tallis hatte Tränen in den Augen. Die rothaarige Mellis drückte ihr stumm die Hand. »Ylenia«, sagte Tallis erstickt. »Das ist wahrscheinlich seit Jahrhunderten das erste Mal, dass drei von ihnen zusammen in einem Raum sind. Was hat das zu bedeuten?« Ylenia sah sie an. Die beiden schienen stumm miteinander zu sprechen. Die große Frau seufzte leise und legte ihre Hände beschützend um die Schmuckstücke.
»Ich habe in den letzten Tagen viel Zeit in unserem Archiv verbracht und alle Aufzeichnungen durchgesehen, die sich mit den Herzen befassen. Wahrscheinlich werde ich demnächst nach Falkenhorst reiten und nachsehen, was der Orden vom Herzen der Welt noch an Schriften verwahrt, die uns Aufschluss geben könnten. Aber ich glaube, des Rätsels Lösung liegt viel näher. Tallis, was weißt du über die Pläne meiner Mutter? Warum hat Elaina dieses ungeheure Versteckspiel mit uns gespielt? Und wie kam sie an das Herz des Wassers?«
Tallis Gesicht verschloss sich. »Bitte, Ylen«, sagte sie leise. »Ich kann nicht. Es wäre falsch und gefährlich, jetzt schon ...« Sie verstummte und zupfte unglücklich an den dichten Haaren ihres Schweifes herum. Ylenia sagte nichts, aber eine unheilvolle Aura stand wie eine Gewitterwolke um ihren schwarz-silbernen Kopf. Sie und Tallis funkelten sich wortlos an.
»Tallis«, sagte Ylenia schließlich sehr beherrscht. »Ich weiß, was ihr Grennach über den richtigen Zeitpunkt denkt, aber ich muss dich trotzdem bitten, mir zu antworten. Ich glaube, dass für uns sehr viel davon abhängt.«
Tallis presste die Lippen zusammen und schüttelte heftig den Kopf. »Ich darf es nicht, Kind. Ich verspreche dir, dass mein Volk und ich alles tun werden, was in unserer Macht steht, um dir und den anderen Menschen zu helfen. Aber ich kann dir jetzt nicht sagen, was du hören willst. Es tut mir leid, Ylenia.«
Ylenia musste um ihre Beherrschung ringen, das war deutlich zu sehen. Sie neigte schließlich den Kopf, aber es war deutlich, dass sie ihre Zustimmung nicht von ganzem Herzen gab. »Also gut, dann werde ich euch berichten, was ich herausgefunden habe.« Ihr kühler Blick richtete sich auf mich und wurde etwas freundlicher. Das war keine Frau, mit der ich gerne Streit bekommen würde.
»Adina –«
»Eddy«, unterbrach ich sie. Das war nicht besonders höflich von mir, aber es störte mich, dass sie mich mit diesem Namen ansprach.
»Eddy«, gab sie geduldig nach. »Es kann sein, dass du das eine oder andere von dem, was wir nun besprechen, nicht verstehst. Ich möchte dich bitten, mit deinen Fragen zu warten, bis ich geendet habe, weil es
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