Anidas Prophezeiung
sagte Ida schließlich. »Süßer Iovve, Catriona wollte doch morgen früh mit mir sprechen. Hoffentlich bin ich bis dahin wieder klar!«
Mellis gluckste. »Komm, Kleine, gib nicht so an. Du hast doch von uns dreien mit Abstand am wenigsten intus.«
Ida grinste. Dann wurde sie wieder ernst und fragte leise: »Sag mal, Mellis, seit wann trinkt Dorkas so viel?«
Die winzige Frau seufzte und schlug unmutig mit dem Schweif gegen den Türpfosten. »Sie hat schon immer was für einen guten Schluck übrig gehabt«, erwiderte sie mit verhaltener Wut. »Aber seit diesem verfluchten Nebelhort ...« Sie spie aus.
»Ich würde gerne deine Version eurer Erlebnisse hören.«
Mellis schnaubte. »Warum? Sie unterscheidet sich nicht wesentlich von Dorkas' Fassung.«
»Ich glaube, doch«, beharrte Ida sanft. Sie legte der Grennach die Hand auf die Schulter und schüttelte sie sanft. »Komm schon, Mellis. Ihr seid beide aus dem Gleichgewicht, das sehe ich doch. Meinst du nicht, es würde dir gut tun ...«
»Das wird es nicht! Spar mir dein Gerede!« Mellis machte sich grob los und stapfte den Arkadengang hinunter. Ida blickte ihr reglos nach.
»Verdammter Nebelhort«, murmelte sie schließlich und ging zu den Stallungen hinüber, um ihren Rundgang zu machen.
Natürlich fühlte sich Ida alles andere als frisch und ausgeruht, als sie am anderen Morgen der gestrengen Catriona gegenübersaß. Sie hatte sich noch einige Stunden schlaflos hin- und hergewälzt und war erst mit der Morgendämmerung eingeschlummert. Prompt hatte sie verschlafen und gerade noch Zeit gefunden, sich einen Eimer kaltes Wasser über den dumpf pochenden Kopf zu gießen, ehe sie zu ihrem Treffen mit der Gildenmeisterin aufbrach. Catriona musterte mit hochgezogenen Brauen Idas zerknautschtes Äußeres und enthielt sich glücklicherweise jedes Kommentars.
»Du hast dein Dienstjahr bald hinter dir«, begann sie ohne Umschweife. »Wie, denkst du dir, soll danach dein Weg aussehen?«
Ida bemühte sich um Sammlung. Das hier war wichtig. Sie wollte nicht nur wegen eines dummen Katers ihren weiteren Verbleib in der Gilde aufs Spiel setzen.
»Ich würde gerne den Schwur ablegen, wenn die Gilde mich haben will«, erwiderte sie.
Catrionas Gesichtsausdruck blieb ernst, fast böse. »So, das würdest du gerne«, sagte sie nur.
»Ich denke, dass ich in der Zeit, in der die Gilde mich beherbergt und ausgebildet hat, einiges gelernt habe. Ich möchte nun endlich meine Schulden im Dienst der Gilde zurückzahlen.«
Catrionas Miene blieb verschlossen. »Du schuldest der Gilde nichts. Du hast immer für deinen Lebensunterhalt gearbeitet, Ida. Du kannst uns jederzeit verlassen, wenn du das willst. Oder du kannst in deinem jetzigen Status weiter für uns arbeiten, wie das viele andere Frauen im Viertel auch tun. Die Wahl steht dir vollkommen frei. Du bist nicht gezwungen, Vollmitglied der Gilde zu werden, das weißt du.«
Ida nickte. »Das weiß ich, Mutter Catriona.«
Ein kurzes Zucken hob die Mundwinkel der alten Frau, dann war sie wieder ernst. »Also, wofür entscheidest du dich, Kind?«
»Ich möchte den Schwur ablegen«, wiederholte Ida. »Die Gilde ist meine Familie. Meine Freundinnen sind hier, meine Arbeit ist hier. Und mein Herz ist zweimal hier. Ich denke, dass ich zu euch gehöre.«
Catriona senkte den weißen Kopf und blickte auf ihre Hände nieder, die entspannt vor ihr auf dem Tisch ruhten. Ida sah den grünen Stein an ihrem Ohr funkeln und hielt den Atem an.
»Du hast sehr lange für diese Entscheidung gebraucht, Ida«, begann die Gildenmeisterin. Sie hob den Kopf und blickte Ida in die Augen. Ida zwang sich, den Blick zu erwidern und ihre Augen nicht niederzuschlagen. »Wovor hast du dich gefürchtet?«
Ida zuckte leicht zusammen. Die gleiche Frage hatte Mellis ihr gestellt. Aber dieses Mal konnte sie nicht so leicht ausweichen. »Der Schritt erschien mir lange Zeit so endgültig«, sagte sie stockend. »Mein Vater ...« Sie verstummte, selbst erstaunt über das Beben, das in ihrer Stimme plötzlich mitklang. Sie setzte neu an.
»Mein Vater hat sich von mir losgesagt, als er erfuhr, dass ich hier bei euch bin. Er hat mir geschrieben, dass ich nicht mehr seine Tochter bin, weil die Tochter des Lords von Sendra niemals eine von euch ...« Ida unterbrach sich. Sie wollte das Wort, das Joris in seinem Zorn benutzt hatte, nicht vor der Gildenmeisterin wiederholen.
»Warum hast du dann den letzten Schritt gescheut, Kind?« Catrionas Miene und Stimme waren
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