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Animal Tropical

Animal Tropical

Titel: Animal Tropical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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aus Uruguay, und sie spielen kubanische Musik. Gar nicht so schlecht. Wir tanzten ein wenig, begrüßten ein paar Bekannte und tranken ein paar Biere. Die Abenddämmerung war sehr lang und wunderschön. Als es langsam kälter wurde, gingen wir zum Auto, um unsere Jacken zu holen. Eine melancholische Spannung lag zwischen uns beiden in der Luft. Sie war unvermeidlich. Wir versuchten, sie zu vergessen, indem wir tanzten, mit ein paar Freunden sprachen und lachten, aber der Trauerengel schwebte über uns. Wir zogen unsere Jacken an, verschlossen das Auto und gingen über einen Waldweg zurück. Es war sehr still und ruhig. Plötzlich griff Agneta nach meiner Hand, drückte sie fest und hielt mich zurück. Sie sah mir in die Augen und sagte:
    »Geh nicht.«
    »Was soll das heißen?«
    »Dass du nicht zurückfahren sollst.«
    »Ach, Agneta, du weißt nicht, was du da sagst.«
    »Wir könnten heiraten. Morgen.«
    »Nein, nein, nein. Nicht mal im Traum.«
    »Ahhh … auf die Weise wärest du dann legal. Du bekommst die Staatsbürgerschaft.«
    »Ich habe Nein gesagt.«
    »Warum nicht?«
    »Weil das nicht meinen Plänen entspricht.«
    »Du hast keine Pläne. Du magst weder planen noch etwas erwarten.«
    »Mach nicht alles noch komplizierter. Ich will hier nicht leben.«
    »Wegen der Sprache?«
    »Wegen allem.«
    »Auch meinetwegen?«
    Und die ersten Tränen liefen ihr herunter.
    »Hey, einen Moment mal. Kein Geschluchze, keine Tränchen und kein Drama. Die Dinge zwischen uns sind ganz klar, also keine launischen Anfälle.«
    »Sprich bitte langsamer. Ich verstehe nicht.«
    »Du sollst nicht weinen. Keine Tränen.«
    »Du bist ein Biest und ein …!«
    »Ein was?«
    »Ein Idiot. Du bist ein Idiot!«
    Wir hatten die Stimmen erhoben. Sie ließ meine Hand los und ging auf die Tanzfläche. Ich ging hinter ihr her. Langsam. Mit leerem Kopf. Von Anfang an war für mich alles ganz klar gewesen. In Schweden bleiben? Nicht ums Verrecken! Da ging mir ein Lichtlein auf. Ich ging zu ihr:
    »Lass uns nach Kuba fahren.«
    »Ich habe darüber nachgedacht. Es ist unmöglich.«
    »Warum unmöglich?«
    »Ich hätte keine Arbeit. Hier wäre es gut für zwei.«
    »Hier bleiben kann ich nicht, sonst sterbe ich wie ein Vögelchen im Käfig.«
    Eine Weile schwiegen wir. Einer an den anderen gelehnt. Das Orchester spielte einen Son.
    »Wir sollten über diese Angelegenheit lieber nicht mehr reden, Agneta. Das lohnt nicht.«
    »Gut.«
    Wir fuhren schon früh wieder nach Hause zurück. Ein paar Minuten lang standen wir auf dem Balkon und betrachteten die Sterne. Nacheinander gingen wir ins Bad und legten uns schlafen. Ich war müde, reiste aber in überfüllten Bussen und schleppte sehr schwere Taschen und Rucksäcke mit mir. Die Leute drängelten, und ich musste auf das ganze Gepäck Acht geben. Ich stand im Mittelgang und konnte nicht aus dem Fenster sehen. Um mich herum waren wahnsinnig viele Leute. Ich war klaustrophob. Mich befiel ein Gefühl der Beklemmung, ich glaubte ersticken zu müssen aus Sauerstoffmangel. Daraufhin stieg ich aus, zog das ganze Gepäck, so gut ich konnte, hinter mir her und befand mich in einer fremden Stadt. Die Leute um mich herum redeten, aber es war keine richtige Sprache. Ich verstand nichts und wusste weder, wo ich war, noch, wohin ich ging. Ich stieg erneut in einen ebenfalls überfüllten Bus, schleppte die schwer gefüllten Taschen und Rucksäcke. Weder kam ich von irgendwo her, noch wollte ich irgendwohin. Ich wollte in keine Richtung, konnte aber auch nicht stehen bleiben. So musste ich immer weiter, schwer beladen mit den Bündeln, ohne ausruhen zu können und ohne zu verstehen. Es war ein Todeskampf, eine Strafe. Für immer musste ich in den mit Leuten überfüllten Bussen fast ohne Luft herumreisen, ohne zu wissen, warum. Aus dem einen stieg ich aus, um in den nächsten einzusteigen. Weiter und weiter musste ich, obwohl ich keine Luft bekam und kaum atmen konnte. Erschrocken wachte ich auf. Was war geschehen? Ich unterdrückte den Drang, aufzustehen und auf den Balkon hinauszugehen, um frische Luft zu schnappen. Es war etwas hell im Zimmer. Ich lag da, starrte an die Decke und entspannte mich. Versuchte, ruhig durchzuatmen. Warm lag Agneta neben mir. Ich spürte ihre großen Brüste und musste an ein Foto von Dracula mit seinem schwarzen Umhang, den Reißzähnen und den diabolischen Augen denken. Auf den Armen trug er eine wunderschöne Frau, in deren Hals er gerade seine Zähne schlagen wollte. Gloria hat das

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