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Animal Tropical

Animal Tropical

Titel: Animal Tropical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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Ansprüchen und Begierden zu erfüllen. Mehr brauchten wir nicht, um uns als ganz bedeutsam, entscheidend, transzendent, unendlich zu erachten. Mir gefiel jener Bauernhof aus der Eisenzeit.
     

III
     
 
R ASEREI UND B OLERO
     

1
    Als ich nach Havanna zurückkam, brauchte ich mehrere Wochen, um mich wieder an den Schmutz zu gewöhnen. Die letzten Tage in Schweden, Agnetas ständiges Schluchzen, meine innere Unruhe will ich lieber vergessen. Manchmal steckte sie mich an, und ich vergoss ein Tränchen. Nur eine Krokodilsträne, aber letztendlich eine Träne. Danach fuhr ich noch ein bisschen in Deutschland herum; dieselbe Nerverei mit meinen Bildern. Nichts. Ich verkaufte kein einziges. Fast sechs Monate war ich jetzt in Europa gewesen und landete mit beschissenen zweihundert Dollar in der Tasche. Der Empfang in meiner kleinen Wohnung in Zentral-Havanna war buchstäblich tropisch: Die ganze Zeit über war sie verschlossen gewesen und hatte Feuchtigkeit angesammelt. Der Putz fiel in Stücken von den Wänden, und die Rohre im Bad waren verstopft. Wenn man sie benutzte, floss das schmutzige Wasser durch die Decke der darunter gelegenen Wohnung und an der Außenwand heraus, die grün wurde und moderte und einzustürzen drohte. Um das zu vermeiden, musste ich wieder auf die primitive Sitte zurückgreifen, in eine Papiertüte zu scheißen und diese auf das Nachbardach zu werfen.
    Drei Tage nacheinander rief ich bei Gloria an. Die Mutter ging mir auf den Sack und sagte immer: »Sie macht nur eine Besorgung. Muss gleich wiederkommen.« Ich wusste, dass sie irgendwohin abgehauen war, mit einem Kerl. Am vierten Tag dann erschien sie ein bisschen ängstlich. Unter Küssen fiel sie mir um den Hals, aber ich spürte schon, wie sie zitterte.
    »Mein Süßer, endlich wieder da!«
    »Scheiße, von wegen Süßer. Vor vier Tagen bin ich angekommen, und von dir keine Spur! Wo hast du gesteckt?«
    »Ach, Schätzchen, sechs Monate haben wir uns nicht gesehen. Ist das deine Begrüßung? Sei nicht grob.«
    Ich packte sie, küsste sie, roch ihre Achseln, und automatisch vergaß ich alle Rage. Wir gingen ins Bett, und wir hatten die süßeste und schönste Vögelei der Welt. Ich nagelte sie bis tief auf den Grund, und sie sagte zu mir:
    »Du wirst mir noch die Eierstöcke aufreißen, du Dreckskerl, steck ihn noch tiefer rein, noch tiefer. Ach, wie hart! Das ist ein Schwanz! So muss er sein! Lass mich genießen, du Schwein! Du wirst der Mann meines Lebens sein!«
    Man muss schon ein Stier und Künstler zugleich sein, um sie zum Höhepunkt zu bringen. Sie kennt alle Tricks der Huren, um den Kunden zu begeistern, ihm das Geld vorher abzuknöpfen und ihn schnell zum Orgasmus zu bringen, damit er die Piste freimacht für die nächste Landung. Und sie bleibt taufrisch wie ein Salatblättchen. Aber nach drei Jahren kenne ich ihre Mucken. Weiß, wie ich es anstellen muss. Zwei Stunden später kommen wir schließlich zum Ende. Ich öffnete eine Flasche alten Rum. Zwei Gläser. On the rocks. So sehe ich sie zu gerne: zimtfarbene Mulattin, nackt, schlank wie ein Spaghetto, Rum trinkend, rauchend. Hände und Füße ein bisschen mitgenommen von all dem Herumtreiben auf der Straße und dem Schrubben und Wischen. Sie ist ein vulgäres, primitives Flittchen. Ich bete sie an. All das geht mir durch den Kopf, während ich kleine Schlucke Rum trinke und eine gute Zigarre rauche. Sie legte eine Kassette mit Boleros ein. Schweigend, erschöpft ruhten wir uns aus. Jemand singt:
     
    Ich weiß, du lügst bei jedem Kuss,
    lügst, wenn du sagst: Ich liebe dich.
    Belüg mich eine Ewigkeit,
    denn deine Bosheit macht mich glücklich.
    Und was zählt sonst?
    Wenn das Leben eine Lüge ist,
    belüg mich weiter,
    denn deine Bosheit macht mich glücklich.
     
    »Das ist es, was mir schon immer gefallen hat.«
    »Lügen erzählen und alle Frauen betrügen?«
    »Nein. Boleros singen.«
    »Und mir das Tanzen. Meine Cousine will jetzt, dass ich noch einmal zu tanzen anfange. Im Palermo. Lässt du mich, Schätzchen?«
    »Du spielst wirklich gerne Ehefrau: ›Lässt du mich, Schätzchen?‹ Und am Ende machst du doch, wonach dir gerade der Arsch ist.«
    »Nein, mein Süßer, sag das nicht. Werd nicht gemein.«
    »Hör dir diesen Bolero an. Das ist genau, was du mit mir tust: ›Ich weiß, du lügst bei jedem Kuss, lügst, wenn du sagst: Ich liebe dich.‹«
    »Was für eine schöne Stimme! Sing weiter. Eine Männerstimme wie diese bringt mich ganz aus dem Häuschen.«
    »Hör

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