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Animal Tropical

Animal Tropical

Titel: Animal Tropical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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hinuntergefallen, aber ich konnte mich nicht erinnern. Alle Muskeln taten mir weh. Ich machte Kaffee und ging mit einer Tasse hinaus auf die Dachterrasse. Der Tag brach an, und Glorias Armreifen klirrten in der Küche im siebten Stock. Es mochte ungefähr sieben sein, aber sie hatte schon eine Kassette von Marco Antonio Solis voll aufgedreht:
     
    Nichts ist schlimmer, als ohne dich zu leben,
    in der Hoffnung zu leben, dich kommen zu sehen,
    die Kälte meines Körpers verlangt nach dir,
    und ich weiß nicht, wo du bist.
     
    Gloria unten hatte einen dicken Streit und übertönte noch Marco Antonio. Nur Bruchstücke von dem, was sie sagte, drangen zu mir herauf: »Nur weil du eine so blöde Kuh bist … zur Polizei gehe ich … eine feige Ziege bist du … und dieser elende Dieb.«
    Ich ging weg, rüber zum anderen Ende der Dachterrasse: die Morro-Festung und das unendlich weite blaue Meer. Es ist besser, in Ruhe und Frieden wach zu werden. Mit Gloria zusammenzuleben wäre schwierig. Sie ist zu laut.
    Kurz darauf geht sie aus dem Haus. Ich höre die Tür zuschlagen. Sie bringt das Kind in die Schule, zwei Häuserblocks entfernt. Gleich darauf kommt sie zurück und fängt an, zu putzen und zu waschen. Ich male in aller Ruhe. Über den Schacht des Innenhofs höre ich das Klatschen ihrer Gummilatschen auf dem Boden. Ich mag dieses Klatschen und das Klirren ihrer Armreifen. Manchmal brauche ich nur diese Geräusche zu hören und bekomme eine Erektion. Es ist schon unglaublich, wie gerne ich diese Mulattin habe. Ungefähr um neun kommt sie hoch. Sie bringt mir ein Stück Brot und ein großes Einmachglas Tomatensauce. Offenbar ist der Sturm vorüber. So ist sie, unberechenbar und wetterwendisch. Jetzt lacht sie glücklich.
    »Was war das heute Morgen für ein Geschrei?«
    »Welches Geschrei?«
    »Du hattest mit irgendjemandem Streit in der Küche.«
    »Hast du mich gehört?«
    »Das ganze Haus hat dich gehört. Dich und Marco Antonio Solis im Duett. Ihr hörtet euch an wie Pimpinella.«
    »Ach, nichts, meine Mutter ist bloß ein Schwachkopf.«
    »Warum?«
    »Gestern Abend kam ein Typ, den ich vor Urzeiten rausgeworfen habe, und hat eine antike Bronzelampe mitgenommen. Und sie hat sie ihm gegeben. Blöde Kuh!«
    »In deiner Wohnung war eine antike Bronzelampe?«
    »Ja, inmitten all des Krams. Sie stand im Esszimmer.«
    »Ich habe sie nie gesehen.«
    »Weil sie nicht funktionierte. Im Wandschrank hatte ich sie versteckt. Ich weiß, sie ist einen Haufen Pesos wert, und dieser Scheißkerl hat sie kassiert.«
    »Ich versteh kein Wort.«
    »Ich schlief schon. Es war gegen zwölf. Da kommt Gilberto und sagt meiner Mutter, man würde ihr hundert Dollar für die Lampe zahlen. Sie glaubt das Märchen und gibt sie ihm.«
    »Und jetzt?«
    »Gar nichts. Wir haben die Lampe verloren. Dabei weiß sie, dass der Kerl ein Räuber und Verbrecher und Betrüger und Schweinehund ist. Ich kenne ihn gut und musste ihn deswegen aus dem Haus werfen.«
    »Deine Schuld, wenn du dir so kriminelle Männer zulegst.«
    »Ich hab ihn im Gefängnis kennen gelernt, Süßer, und dann klebte er mir an den Hacken, und ich hatte große Mühe, ihn mir vom Halse zu schaffen.«
    »Wann hast du im Gefängnis gesessen?«
    »Ich hab nicht im Gefängnis gesessen.«
    »Und wie hast du ihn dort kennen gelernt?«
    »Warum fragst du so viel?«
    »Ich frage nicht. Du hast angefangen, mir diese Geschichte zu erzählen, und jetzt willst du in der Mitte kneifen.«
    »Schätzchen, all das ist vorbei. Das war, ehe ich dich kannte.«
    »Lass das Theater, ich bin doch nicht eifersüchtig. Der Mann, der bei dir eifersüchtig ist, geht an gebrochenem Herzen zugrunde.«
    »Warum?«
    »Weil jeden Tag was anderes anliegt.«
    »Leb nicht in der Vergangenheit. Leb die Gegenwart, wie ich. Mit beiden Füßen auf dem Boden.«
    »Wenn du so alt bist wie ich, wirst du dasselbe sagen wie Yolanda, eine Freundin von mir.«
    »Was sagt sie?«
    »Sie ist fünfzig und sagt, sie hat mit der Hälfte von Havanna gevögelt und stellt sich die andere Hälfte vor.«
    »Hahaha.«
    »Du wirst genauso sein.«
    »Iiich?! Von wegen. Ich werde sagen, ich hätte zwei Männer gehabt: den Vater meines Sohnes, der ein sehr anständiger Mann ist, Busfahrer des Hundertfünfundneunzigers aus Guanabacao, und dich, den Vater all meiner zukünftigen Kinder.«
    »Und der Rest deiner Männer?«
    »Versunken in der Vergessenheit der Nacht.«
    »Einer etwas langen Nacht.«
    »Na dann halt in der Vergessenheit der Nächte.

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