Animal Tropical
Vielleicht sind’s ja zehntausend Nächte. Die Einzigen, die am Leben bleiben, seid ihr zwei: die Väter meiner Kinder, zwei anständige und korrekte Menschen.«
»Und der Kerl aus dem Gefängnis?«
»Ohhhhh, kannst du den mal vergessen?! Du bist ja eine Filzlaus mit Spikes!«
»Sag schon.«
»Da gibt’s nichts, junger Mann; es ist lange her, lange bevor …«
»Ja, ich weiß schon: ›bevor ich dich kannte, Schätzchen.‹«
»Ach, du Nervensäge. Ein Freund hatte mir erzählt, der Kerl würde zwanzig Dollar sowie eine Tasche mit Kleidern und Schuhen und allem Möglichen der Frau zahlen, die ihn als sein Eheweibchen besuchen kommen würde.«
»Und den Job hast du dir sofort geschnappt.«
»Ja.«
»Und die Papiere?«
»Nein. Der Kerl saß wegen Betrügereien. Er ist schlau und hatte alles unter Kontrolle. Am Eingang musste ich einen Wächter aufsuchen, der mich direkt zu seiner Zelle brachte.«
»Lange?«
»Der Einlass war morgens um neun, bis fünf oder sechs Uhr nachmittags. Und alles ohne Pause. Neger können wirklich nie genug kriegen.«
»Da musstest du aber viel vögeln für zwanzig Dollar.«
»Zu viel. Er wollte, dass ich für ihn zu Changó bete, damit er aus dem Knast käme. Alle geilen Böcke sind doch gleich. Sie halten sich für einen Sohn von Changó, dabei sind in Wirklichkeit die meisten von ihnen Söhne von Ochún und Yemayá. Und sie mögen alles: Frauen wie Männer. Sie vögeln ebenso eine Frau, wie sie den Arsch hinhalten, aber raushängen lassen sie den Macho.«
»Und was war in der Tasche?«
»Die Tasche war mehr wert. Darin waren Jeans, Blusen, Parfüms, Sportschuhe. Manchmal waren es dreißig, vierzig Dollar zusätzlich.«
»Aha, nicht schlecht.«
»Der Typ war im Gefängnis eine richtige Persönlichkeit. Er kleidete sich wie ein Fürst, bis hin zu Adidas-Schuhen und Zahnkronen aus Gold.«
»All das da drinnen?«
»Ach, noch mehr. Viel mehr. Du machst dir keine Vorstellungen. Von drinnen führte der Kerl draußen ein Geschäft.«
»Was für eins?«
»Jetzt reicht’s. Du willst ziemlich viel wissen.«
»Erzähl schon, und mach nicht auf Verschwiegene.«
»Ein süßes kleines Bordell, Schätzchen, aber es glitt ihm aus den Händen. Ich war mit ihm, ich weiß gar nicht mehr … so sieben Monate zusammen. Danach brach er aus, oder sie setzten ihn auf freien Fuß. Ich weiß nicht, und dann stand er bei mir auf der Matte. Pleite. Ohne einen Centavo.«
»Und da wurde die Sache kompliziert.«
»Schließlich hab ich es geschafft, von ihm wegzukommen.
Ich verließ das Haus für ein paar Tage, rief ihn an, drohte ihm mit der Polizei und sagte, er solle sich verpissen. Er musste abhauen.«
»Und jetzt taucht er wieder auf und brockt dir den Streit um die Lampe ein.«
»Ich hatte ihn schon ganz vergessen. Und er ist so hinterfotzig, dass er nur kommt, um zu klauen.«
»Wirst du zur Polizei gehen?«
»Neee! Da fragen sie mich nur, woher ich ihn kenne, suchen nach Vorstrafen, und ehe ich mich versehe, bin ich selbst in die Sache verstrickt. Gib mir den Kaffee, Schätzchen, er wird sonst kalt.«
»Mit viel Zucker?«
»Meinen ja. Hör auf, den Yankee zu spielen.«
Wir trinken ein paar Tassen. Sie zündet sich eine Popular an.
»Gloria, es ist noch sehr früh. Dieser schwarze Tabak wird dir …«
»Ach, hör auf, von irgendwas muss man ja sterben.«
Einen Augenblick schwiegen wir. Ich weiß, dass sie weder Schweigen noch Ruhe erträgt. Sie lebt in Lärm und ständiger Bewegung. Ich habe es gemessen: Die maximale Länge, die sie erträgt, sind dreißig Sekunden.
»Ach, ich habe dir noch gar nicht gesagt, dass ich einen Job habe.«
»Als Tänzerin oder Friseuse?«
»Schön wär’s!«
»Als Verkäuferin von Spanferkelbroten auf der Galiano?«
»Auch nicht. Du errätst es nie.«
»Was ist es?«
»In der Leichenhalle des Notdienst-Krankenhauses.«
»Um Himmels willen!«
»Mit den Toten hat’s nichts zu tun. Ich muss ein Register führen.«
»Weiter nichts?«
»Nur das.«
»Du musst nicht an Leichen rummachen?«
»Nein.«
»Register von was?«
»Von … mir fällt das Wort nicht ein. Irgendwas mit Analyse. Man hat mir gesagt, man wolle mich heute Morgen prüfen.«
»Aber es ist fast schon zehn. Warum bist du nicht früh dort hingegangen?«
»Ach, Pedro, immer mit der Ruhe. Fang keinen Streit an. Wenn es für mich gedacht ist, werden es mir die Santos schon geben. Wenn nicht, dann nicht.«
»Na schön, wenn du meinst.«
Sie ging los. Ich kehrte zu Malerei und
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