Animal Tropical
Während sie sich schnäuzt, sagt sie zu mir: »Ich rufe dich an, weil ich will, dass du mir hilfst und es mir richtig einhämmerst. Ich weiß nicht, was für ein Freund …«
»Ja, ich bin dein Freund, und ich mag dich sehr, aber du dramatisierst ein bisschen. Du bist weder alt noch allein. Was ist mit deinen Söhnen?«
»Ach, lass meine Söhne aus dem Spiel. Meine Menopause hat begonnen. Seit drei Monaten habe ich keine Regel mehr.«
Und wieder schluchzt sie und schnäuzt sich.
»Carmita, hör auf zu heulen. Vielleicht bist du ja schwanger.«
»Nein, mein Junge, nein. Ich war schon beim Arzt. Es ist die Menopause. Ich habe Hitzewallungen und schwitze viel und bin nervös und bekomme nachts kein Auge zu.«
»Verdammt, da hast du dir ja alle Symptome herausgesucht! Du bist eine medizinische Enzyklopädie.«
»Hahaha.«
»Sei nicht theatralisch.«
»Ach, sag nicht solche Sachen.«
Und weiter heult sie ins Telefon. Ist nicht zu bremsen.
»Verdammt noch mal, du bist dermaßen empfindlich, dass man überhaupt nicht mit dir reden kann.«
»Behandle mich etwas einfühlsamer. Sei nicht so ungehobelt.«
»Was ich dir ja nur sagen will, ist, dass du dich beim nächsten Mann nicht verlieben sollst wie ein junges Ding. Bring mehr Intelligenz ein. Erinnerst du dich noch an den Seemann?«
»An Luis? Und worauf willst du hinaus?«
»Der mit den Elefanten aus imitiertem Porzellan.«
»Ja. Luisito. Wer weiß, wo der jetzt steckt. Ich hab nie wieder von ihm gehört.«
»Hättest du ihm mehr Geduld entgegengebracht, wäre er jetzt dein Mann. Sexuell hat er dich um den Verstand gebracht, und ein anständiger Kerl war er auch.«
»Alle sind anständige Kerle, und alle bringen mich sexuell um den Verstand.«
»Du bist ein ungestümes Weib.«
»Wenigstens etwas, womit mich das Leben gesegnet hat.«
»Über den Seemann und dich habe ich eine Geschichte geschrieben.«
»Ich fasse es nicht! Ach, du Mistkerl, was sollen denn die Leute sagen … Etwa mit unseren Namen?«
»Natürlich. Carmita und Luis.«
»Und hast du sie veröffentlicht?«
»Unter dem Titel Die Rückkehr des Seemanns.«
»Ich kann nicht glauben, dass du ein solcher Mistkerl bist. Eine Hyäne bist du. Ein Kannibale. Du ernährst dich von deinen Freunden, du geiler Bock! Dracula!«
»Hahaha.«
»Und darüber lachst du noch … lass es mich wenigstens lesen. Wo ist dieses Buch? Hat man es hier veröffentlicht?«
»Nein, hier nicht, in anderen Ländern.«
»Leih mir eins.«
»Ich habe keins mehr. Der Verlag überlässt mir nur zehn Belegexemplare.«
»Wahnsinnig knauserig. Na ja, irgendwann komme ich zu dir und lese es. Und was hast du in der Geschichte geschrieben?«
»Die Wahrheit. Komm, wann du willst, und lies sie. Und gelegentlich erzählst du mir deine letzten Abenteuer.«
»Damit du weiter auf meine Kosten schreiben kannst?«
»Vielleicht gelangst du so zu Unsterblichkeit wie Dulcinea del Toboso.«
»Wer ist das?«
»Die Frau von Quijote.«
»Ach, sei nicht albern. Weder Unsterblichkeit noch Dulcinea noch sonst einen Scheiß. Einen Mann mit Geld, der mich unterhält und mir’s ordentlich besorgt. Das brauche ich jetzt. Damit mein Leben wieder fröhlicher wird.«
»Und dein ältester Sohn? Arbeitet er immer noch in der Tabakfabrik?«
»Ja, er hilft mir sehr. Aber von dem einen Gehalt muss er seine Frau, seinen Sohn und seine Schwägerin unterhalten. Und dann sind da noch ich und Adriancito.«
»Wie alt ist Adriancito jetzt eigentlich?«
»Fünfzehn.«
»Ach, schon. Demnächst wird man ihn zum Militärdienst einziehen, und dann bist du eine Last los, hahaha.«
»Junge, warum bist du bloß so zynisch und so …?«
»Also, ich muss dann. Komm, wann du willst.«
»Ist gut, Pedro. Gib auf dich Acht.«
Den Rest der Nacht hatte ich meine Ruhe. Ich legte mich früh schlafen und träumte viel. Die ganze Nacht lang. Irgendwann angelte ich im Kanal von Sodertalje, und meine Nylonschnur verhedderte sich. Die ganze Nacht über. Manchmal träume ich, ich falle Treppen hinunter oder spiele mit einem winzig kleinen Hund, der auf einmal wächst, sich in einen Tiger verwandelt, mich von hinten anfällt; und da ist er bereits ein riesiger, über alle Maßen kräftiger Tiger; und er beißt mich rasend vor Wut und reißt mich in Stücke. Zum Glück habe ich schon lange nicht mehr von den Treppen und dem Tiger geträumt.
Als ich am Morgen aufstand, taten mir alle Glieder weh. Vielleicht hatte ich doch mit dem Tiger gekämpft und war die Treppen
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