Animus
schob. Fünf Minuten später war Butterfly weg. Erykah machte sich mit Ev auf einen letzten Rundgang durch das Außengelände, das danach hermetisch abgeriegelt werden würde.
»Wenn die beiden zurück sind, teilt ihr euch auf.« Pete legte einen Zeitplan und einen Grundriss des Gebäudes auf den Tisch.
»Du, Katya, nimmst dir mit Tim um fünf Uhr Abschnitt A, also die Residenz, vor, Erykah kontrolliert mit Paul Abschnitt C, den Ostflügel. Lucy geht mit Ev und mir den Westflügel ab, Abschnitt A. Um Viertel nach sechs das Gleiche noch einmal. Danach, gegen Viertel nach sieben, checken Lucy, Katya und Erykah gemeinsam das Roosevelt-Zimmer. Das Ganze wird bis halb acht dauern. Um Viertel vor acht nimmt Erykah die Zugereisten in den West-Colonnaden in Empfang. Katya, du führst die innerhäusige Delegation zum Saal, und wir beide, Lucy, holen gemeinsam mit Frank den Präsidenten aus der Residenz. Ev bleibt hier. Maul nicht, Ev, du bleibst hier. Wir treffen uns alle wieder vor dem Rooseveltzimmer, dann habt ihr Pause und könnt mit Ev einen Kaffee trinken. Wenn die Sitzung vorbei ist, hole ich euch, und wir teilen uns genauso wieder auf. Irgendwelche Fragen?«
»Nein, Käpt’n!« Katya salutierte. Ich fragte mich, woher sie ihren Humor nahm.
Pete nahm es nicht zur Kenntnis. »Ich hoffe, dass meine Leute draußen ihren Job anständig machen. Mir wäre es lieber gewesen, wenn Butterfly noch mal während der Sitzung patrouilliert wäre.«
»Das können wir zwischen zwei Tassen Kaffee machen«, meinte Katya.
»Bestens.« Pete steckte die Pläne ein und schaute auf die Uhr.
Ich ging mit Ev und Pete den Westflügel ab. Ev und Pete schwiegen, um mich nicht abzulenken. Ich war jedoch nicht auf meine Aufgabe konzentriert. Einige Zimmer weiter hatten die Bediensteten schon letzte Hand an die Ausstattung des Roosevelt-Zimmers gelegt. Die Bestuhlung stand, die Mikros waren verkabelt, die Überwachungskameras eingeschaltet, ein Büfett in der Ecke aufgebaut. Das Rednerpult stand ebenfalls auf seiner Position. Es war extra aus dem Presseraum herbeigeschafft worden. Dann hatten die Männer sich zurückgezogen, waren ins Kellergeschoss gegangen, ihre Overalls ausziehen. Feierabend. Die Putzkolonne war gekommen, um noch einmal alles bis auf den letzten Staubfussel zu reinigen. Cons weiblicher Maulwurf hatte mit einem feuchten Lappen sehr vorsichtig das Rednerpult abgewischt. Die falsche Putzfrau trug zwei Paar besonders dicke Gummihandschuhe, die sie später ebenso vorsichtig entsorgen würde, denn der feuchte Lappen war mit dem Flüssigsprengstoff präpariert. Dann waren auch die Putzfrauen ins Untergeschoss gegangen. Sie hatten sich schnatternd und lachend umgezogen, vielleicht ein paar anzügliche Witze über einen neuen Auszubildenden im Fuhrpark gemacht, ihre Jacken übergezogen und sich voneinander verabschiedet. Auch die Neue, die falsche Schwester der angeblich erkrankten Maria, hatte mit ihnen das Gebäude verlassen und war im Dunkel der Nacht verschwunden.
Ich schaute auf die Uhr. Es war Viertel nach sieben. Gemäß Plan trafen wir mit den anderen vor dem Rooseveltzimmer zusammen.
»Mein Abschnitt ist sauber«, meldete Katya.
»Meiner auch«, fügte Erykah hinzu.
Ich nickte. Dann wandte ich mich an Pete: »Lass uns hier alleine reingehen. Es dauert nicht lange.« Pete nickte. Er war es gewohnt, dass ich relativ kleine Räume ohne ihn abging. Mit Katyas und Erykahs Schatten ließ er sich in einer Sitzgruppe auf dem Flur nieder.
Ich holte tief Luft, dann drückte ich entschlossen die Tür zum Rooseveltzimmer auf und ging hinein. Es traf mich wie ein Keulenschlag. Sofort blieb ich stehen. Katya musste mich zur Seite schieben, damit sie und Erykah auch in den Raum konnten. Erykah schloss abrupt die Tür hinter uns. Wir schauten uns mit entsetzt aufgerissenen Augen an. Katya rang nach Luft, Erykah stützte sich an die Wand. Ich war die Erste, die die Fassung halbwegs wiedererlangte.
»Schauen wir uns in Ruhe um«, sagte ich möglichst ruhig, auch wenn ich fast würgte. »Die Überwachungskameras sind ordnungsgemäß schon eingeschaltet.«
Katya und Erykah nickten. Sie hatten meine Warnung verstanden. Jetzt durften wir uns nichts anmerken lassen. Nichts von dem Schock, der uns beim Eintreten fast erschlagen hatte. Nichts von den Bildern, die ich sah. Nichts von den Schmerzen, die Katya empfand. Nichts von der Panik, die Erykah die Kehle zuschnürte. Wir mussten gelassen und ruhig wirken, wenn nicht alles sofort
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