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Animus

Animus

Titel: Animus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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auffliegen sollte. Langsam schlenderten wir durch den Raum, verteilten uns in die Ecken, näherten uns dem Rednerpult. Ich legte mich neben dem Konferenztisch auf den Boden und schloss die Augen. Erykah ging die Wände entlang und führte ihre Handinnenfläche in geringem Abstand entlang der Holzvertäfelung. Ihre Hand zitterte. Katya setzte sich in einen der Stühle, stand aber sofort wieder auf. Sie kam zu mir und beugte sich über mich.
    »Geht’s?«, fragte sie kaum hörbar. Ich öffnete die Augen. Schweiß stand auf meiner Stirn. Ich wischte ihn weg und nickte.
    »Und du?«
    »Wenn wir nicht gleich hier rausgehen, muss ich kotzen.«
    Ich stand mit wackligen Beinen vom Boden auf. Erykah kam zu uns.
    »Was machen wir jetzt?«, flüsterte ich.
    »Raus«, sagte Katya. Sie kniff mir in die bleichen Wangen und atmete selbst ein paarmal tief durch. In diesem Moment wurde die Tür geöffnet. Pete streckte den Kopf herein. »Wie sieht’s aus? Wir müssen uns beeilen. Die Delegation aus dem Hotel ist schon unterwegs. Seid ihr fertig?«
    Das war der Moment der Wahrheit. Die Entscheidung über Tod oder Leben musste in Millisekunden getroffen werden. Ich konnte nicht reden mit Katya und Erykah. Aber Blicke genügten. Ich sah sie an: So war das nicht geplant, können und wollen wir das wirklich tun? Steigen wir nicht besser aus? Jetzt sofort, bevor es zu spät ist? Erykahs Blick war hart: Es sind alles Arschlöcher. Ich schüttelte den Kopf: So einfach? Als ich mich zu Pete wenden wollte, packte Katya mich fest am Oberarm. Ihr Griff sagte: Die oder wir.
    »Alles klar, Pete«, sagte ich, ohne Katya und Erykah aus den Augen zu lassen.
    »Na, dann los!« Pete wandte sich ab und sprach kurz mit Frank, der zu der Truppe gestoßen war.
    »Gott sei Dank hat er dich nicht richtig angesehen«, flüsterte Katya mir zu.
    »Keine Müdigkeit vorschützen, meine Damen. Erykah, du gehst zu den Colonnaden, die sind schon da. Katya, du weißt auch Bescheid. Also los. Komm, Lucy!« Pete griff nach meinem Arm und stürmte los, Frank hinter uns her. Wir mussten den Präsidenten holen. Der stand schon bereit, ging noch einen letzten Punkt mit seiner Ersten Sekretärin durch. March saß wartend in einem Sessel, kühl und gelassen wie immer. Ich hörte, wie er Pete leise fragte: »Wann gehen wir auf Sendung?« Pete antwortete: »Punkt neun.«
    Ich verstand nicht, wovon sie sprachen, es war mir egal. In meinem Kopf wirbelte alles durcheinander, ich hatte Mühe, die Kontrolle zu bewahren. March begrüßte mich, dann machten wir uns auf den Weg. Pete und ich vorneweg, March neben dem Präsidenten, dessen Sekretärin und Frank als Nachhut. Es war wenige Minuten vor acht Uhr, als wir an der Tür zum Rooseveltzimmer ankamen. Katya stand mit ihren Schutzbefohlenen schon bereit, Erykah kam über den Flur, die Gruppe der auswärtigen Gäste hinter ihr. March öffnete die Tür, alle gingen hinein. Pete, Paul und Frank bauten sich rechts und links vor der Tür auf.
    »Was steht ihr denn hier wie angewurzelt?«, lachte Pete uns Frauen an. »Nun geht schon runter in die Küche und macht Pause. Wenn Tim vom Pinkeln zurück ist, komme ich zu euch, okay?«
    Ich nickte. Die Zeit wurde knapp. Katya, Erykah und ich stürmten los. Ev saß mit ihrem Schatten plaudernd am Küchentisch, als wir hereingepoltert kamen.
    »Raus!«, herrschte ich den Mann an. Der schaute verwundert hoch.
    »Darf ich doch gar nicht –«, versuchte er einen schwachen Einwand.
    »Stell dich vor die Tür, aber sofort raus hier!«
    Mein Anblick und meine Stimme gestatteten keinen Widerspruch. Der junge Schatten war so eingeschüchtert, dass er sich wortlos erhob und verschwand.
    »Was ist denn los?«, fragte Ev irritiert.
    »Ruhe!«, verbat Katya ihr den Mund. Wir hatten keine Zeit für Erklärungen, es ging um Sekunden.
    »Wie viel Uhr ist es?«, fragte Erykah hektisch.
    »Fünf nach acht. Noch fünfundzwanzig Minuten. Dann wird die Sprinkleranlage per Computermanipulation eingeschaltet, und der erste Tropfen Wasser, der fällt, löst die Detonation aus. Punkt halb neun. Falls er sich an die Vereinbarung hält«, informierte Katya.
    Meine Stimme überschlug sich fast: »Das tut er nicht, das haben wir doch gesehen! Der ganze Raum ist präpariert, nicht nur das Pult! Da ist eine Riesenladung drin! Der halbe Westflügel wird in die Luft fliegen! Pete muss sofort da weg!«
    »Du wirst keinen Alarm geben«, forderte Erykah, während ich mit flatternden Fingern Petes Handy anwählte.
    »Dann sind

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