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Animus

Animus

Titel: Animus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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zu tun haben, Walcott ans Messer zu liefern und ihre Hände in Unschuld zu waschen.«
    Ich nickte anerkennend. »Sie möchte ich nicht zum Feind haben.«
    March lächelte kühl über das Kompliment. »Da tun Sie gut dran. Also, ich denke, wir sind uns einig.«
    Als Snyder und ich etwa eine Stunde und einen weiteren Brandy später Marchs Haus verließen, hielt ich meinen Chef kurz am Ärmel fest. March hatte sich schon verabschiedet, die Tür hinter ihm war geschlossen. Dennoch flüsterte ich instinktiv: »Hören Sie, Snyder, in einer ruhigen Minute müssen Sie mir mal erzählen, wie Sie darauf gekommen sind, dass March derjenige ist, der sich bei mir eingeklinkt hat. Das Märchen von der politischen Absicherung und dem intuitiven Vorstoß können Sie mir nicht auftischen.«
    Snyder schmunzelte verhalten: »Das dachte ich mir schon. Die Wahrheit ist auch wesentlich einfacher. Wollen Sie’s wissen?«
    »Raus damit«, erwiderte ich gespannt.
    »Driscoll ist mein Mann.«

44. Das Attentat
    Lucy, 43, Sensor Stufe 10
    Nervös lief ich in unserer Wohnung auf und ab. Andauernd sah ich auf die Uhr und ging in Gedanken die Zeitabläufe noch einmal durch: Marc hatte einen Lieferwagen mit ausreichend Platz angemietet. Schlafsäcke, Proviant und Gepäck waren verstaut. Der Tank war voll, die Papiere in Ordnung. Auch im Weißen Haus musste inzwischen alles weitgehend vorbereitet sein. Das Rednerpult des Präsidenten würde bald präpariert werden. Die Sprinkleranlage war manipuliert. Conrad hatte eine der Putzfrauen des Weißen Hauses aus dem Verkehr gezogen und eine angebliche Schwester mit falschen Papieren als Ersatz geschickt. Ohne Probleme war sie durch die Sicherheitsprüfung gelangt. Weder Sicherheitsbeamte, Geheimdienstler noch Hunde würden den Flüssigsprengstoff ausmachen können. Nur Katya, Erykah und ich konnten ihn bemerken.
    »Verdammter Mist, wo bleibt Katya? Ihr Fahrer sollte sie schon längst hier abgesetzt haben. Die zweite Sicherung des Hotels kann unmöglich so lange dauern.« Wenn auch nur irgendetwas an unserem minutiös abgestimmten Plan schiefging, war das unser aller Todesurteil, das wusste ich.
    »Bleib mal locker«, versuchte Erykah mich zu beruhigen. »Bestimmt wartet sie im Hotel, bis die Gäste von auswärts mit Butterfly eingetroffen sind.«
    »Auch die sollten längst da sein. Butterfly ist garantiert schon im Weißen Haus zur Außensicherung.«
    »Vielleicht hatte ein Flugzeug Verspätung. Nun sei doch nicht so zappelig, du machst mich ganz krank damit.«
    »Katya macht mich krank. In einer Viertelstunde steht unser Wagen vor der Tür. Wenn Katya im Hotel aufgehalten worden wäre, hätte sie angerufen. Da stimmt was nicht!«
    In diesem Moment wurde ein Schlüssel im Türschloss gedreht. Katya kam herein, ließ Jacke und Pulli beim Gehen auf den Boden fallen, bremste meine Fragen mit einer Handbewegung aus und sagte knapp: »Alles in Ordnung. Hab noch einen Abstecher gemacht. Nicolas. Muss duschen. Keine Zeit zum Quatschen.« Schon war sie im Badezimmer verschwunden.
    Erykah war vollkommen perplex. »Die geht heute zwischen zwei brisanten Aufträgen noch kurz zum Vögeln mit diesem verlausten Spitzel? Und ihr Fahrer wartet vor der Tür? Wie abgebrüht ist das denn?«
    »Extrem abgebrüht. Und von wegen Vögeln … Wenn Katya von einem Abstecher spricht, dann hat sie den Kerl abgestochen.«
    Fünfzehn Minuten später saßen wir im Dienstwagen des Secret Service, der uns zum Weißen Haus brachte. Katyas Haare waren noch nass. Frank, der uns chauffierte und mir heute für die Wegbegleitung zugeteilt war, fuhr die Heizung hoch.
    »Wir wollen nicht, dass du dich erkältest, Katya«, sagte er fürsorglich. »Ganz schöner Terminstress heute, nicht wahr?« Er plauderte unaufhörlich, schien gar nicht zu bemerken, dass seine Fahrgäste nicht auf Small Talk eingestimmt waren. Vor allem das Wetter beschäftigte ihn. »Viele Leute finden, dass Cumuluswolken wie Schäfchen aussehen, aber das halte ich für Blödsinn. Trotzdem sehen Cumuluswolken einfach sympathischer aus als diese widerlich graue geschlossene Wolkendecke, die seit Tagen über der Stadt hängt. Obwohl man bei dem Wind doch vermuten sollte, dass …«
    Ich hörte ihm nicht zu, schaute stattdessen aus dem Fenster. Doch statt der vom Sturm gepeitschten Bäume und den Fußgängern mit ihren flatternden Mänteln, Mützen, Schals sah ich Leichen, zerteilte, zerfetzte Gliedmaßen, aufgerissene Münder, starre Augen, blutende Körper. Und wieder und

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