Animus
Namen Roseanne und James Parker jedoch ließen ihn aufhorchen. Er erinnerte sich, damals von dem Tod des jungen Parker gehört zu haben, konnte sich aber nicht mehr die genauen Umstände ins Gedächtnis rufen. Ich half ihm auf die Sprünge. Schließlich hatte ich den Tag damit verbracht, die einschlägigen Unterlagen zusammenzustellen. Schon beim ersten Blick in die Untersuchungsakten hatte ich festgestellt, dass ich endlich auf der richtigen Fährte war: Der einzige Zeuge für Parkers Heldentod war General Walcott, damals noch Lieutenant Walcott. Doch kurz nach seiner Heimkehr – mit der Leiche Parkers im Gepäck – war ihm die erste Beförderung zuteilgeworden, der in kaum nachvollziehbarem Tempo diverse andere folgten.
»Die Beförderungen erfolgten alle kurz nach der Amtsübernahme des Präsidenten«, fasste ich für Snyder zusammen.
»Daraus kann man niemandem einen Strick drehen. Er hat seine Machtbefugnisse dazu benutzt, den Soldaten zu fördern, der seinen Schwager unter Einsatz seines Lebens aus den feindlichen Linien herausholte. Wenn auch nur die Leiche. Typischer Pathos, wie er in Kriegszeiten die eh schon bescheidenen Hirne vernebelt. Nichts Besonderes.«
»Stimmt. Aber unser Präsident, damals hoffnungsfroher Senator der Republikaner, war noch gar nicht der Schwager von James Parker.«
»Ja, und?«
»Damit wären wir beim Thema Geld. Der aufstrebende Senator heiratet Roseanne Parker kurz nach dem Tod ihres Bruders. Und mit dem Geld von Roseanne finanziert er seine Wahl zum Präsidenten.«
»Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie damit andeuten wollen, dass erst der Tod von James die nette Roseanne zur reichen Frau machte?«
»So ist es«, entgegnete ich.
»Und dass somit der Tod von James Parker für unseren Senator die perfekte Möglichkeit war, seine präsidialen Pläne zu verwirklichen?«
»Er hätte sich auch flugs nach einer anderen reichen Erbin umsehen können. Aber Roseanne hatte er schon an der Angel.«
»Das heißt, Sie suchen jetzt nach einem Beweis für die verwegene Theorie, dass Walcott bei Parkers Ableben gefummelt hat, womöglich im Auftrag eines ruchlosen Senators.«
»Das würde zumindest den unaufhaltsamen Aufstieg Walcotts zum General erklären. Und ebenso die ansonsten unverständliche Tatsache, dass er trotz all der kapitalen Böcke, die er im Laufe seiner zweifelhaften Karriere geschossen hat, unangetastet bleibt. Sie haben mich doch selbst darauf hingewiesen, dass der Präsident höchstpersönlich seine schützende Hand über ihn hält. Es würde alles zusammenpassen.«
»Was ist von den Untersuchungsergebnissen bezüglich Parkers Tod zu halten?«, fragte Snyder.
»Nicht sehr ergiebig. Walcott gab damals zu Protokoll, dass er und Parker durch einen Hinterhalt von ihren Kontaktleuten getrennt wurden. Sie verbargen sich zwei Nächte in einem alten Bergwerk auf den Golanhöhen und hofften auf den Vorstoß ihrer Leute. Doch die Truppenbewegungen liefen anders ab als erhofft, und nach zwei Tagen und Nächten befanden sie sich nicht mehr im minenverseuchten Niemandsland zwischen den Lagern, sondern knapp hinter den feindlichen Linien. Walcott beschloss, den angeblich schon am Bein verwundeten Parker Huckepack zu nehmen und sich mit ihm bis zur libanesischen Grenze durchzukämpfen, wo eine amerikanische UN-Einheit stationiert war. Heroisch, nicht wahr? Jedenfalls gibt er an, kurz vor Erreichen seines Ziels einer kleinen Gruppe palästinensischer Freischärler in die Arme gelaufen zu sein. Es gab ein Gemetzel, währenddessen der dumme Parker, vom Wundbrand umnebelt, aus der Deckung herauskroch und von Maschinengewehrsalven durchsiebt wurde. Walcott hat blutige Rache genommen, die fünf Palästinenser mit Pistole und wahlweise Messer kaltgemacht und Parkers Leiche über die Grenze geschleppt. Die Akten belegen, dass Walcott selbst einige Kugeln in den Pelz gebrannt bekommen hat, nichts Lebensgefährliches allerdings. Das ist die ganze Geschichte.«
»Die ganze, vollkommen unwiderlegbare Geschichte, vermute ich«, präzisierte Snyder. »Oder gibt es Zeugenaussagen, die einen Zweifel an Walcotts Version aufkommen lassen?«
»Nichts. Viele aus der geheimen Einheit von damals sind inzwischen bei verschiedenen Operationen draufgegangen. Einige gehören heute noch zu Walcotts Truppe. Zwei arbeiten sogar als Schatten im Lager. Ich habe sie damals kennengelernt. Da ist kein Rankommen. Die sind Walcott ergeben wie ein Maso seiner Domina.«
»Hübscher Vergleich«, murmelte
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