Animus
eingeklinkt hatte, konnte nicht wissen, wonach ich suchte. Außerdem war mein Computer mit der neuesten Sicherheitstechnik ausgestattet. Nach längerem Überlegen revidierte ich meine ursprüngliche Annahme, dass der Absender der Notiz über alle Einzelheiten informiert sein müsse. Es konnte ein Kollege aus einer anderen Geheimdienstabteilung sein, der sich einen Spaß mit mir erlaubte. Oder einer, der wissen wollte, wonach ich suchte. Aber verdammt noch mal, wer konnte wissen, dass ich überhaupt suchte?
Namen und Geld. Namen und Geld. Okay, ich würde noch einmal an die Namen gehen. Ich verkettete alle Dokumente über meine beiden Zielpersonen untereinander und stellte die gesuchten Querverbindungen her. An dieser Fummelarbeit saß ich über zwei Stunden. Als ich die Basis für einen umfassenden Vergleich angelegt hatte, startete ich ein kompliziertes Suchprogramm. All die Dokumente, die mir und nun auch dem Computerprogramm für Querverweise zur Verfügung standen, enthielten mehrere tausend Namen – vom Koch des Präsidenten bis zurück zu seiner Hebamme, vom Grundschullehrer Walcotts bis hin zu dem Arzt, der ihm die zerquetschten Eier nach dem Zwischenfall mit Lucy wieder aus dem Unterleib gepult hatte. Es würde lange dauern, bis das Programm durchgelaufen war. Ich stand auf, ging ins Badezimmer und ließ Wasser in die Wanne laufen. Als ich etwa eine Stunde später ins Arbeitszimmer zurückkam, hatte der Computer eine Liste mit 267 Nachnamen ausgespuckt, die in den Dokumenten beider Zielpersonen auftauchten. Ich war genervt, denn ich wusste: mindestens dreiundzwanzigmal Smith, fünfzehnmal Miller, achtmal Warner und zweimal Takura. Sicherheitsbeamte, Militärs und der beste Sushi-Lieferant von Washington. Daten, die mir schon beim Lesen der Dokumente aufgefallen waren und die mir nichts, aber auch gar nichts eingebracht hatten. Dennoch – 267 Dubletten. Vielleicht war mir der eine oder andere bislang entgangen, zumal ich noch nicht das komplette Material gesichtet hatte. Jetzt würde ich alle Namen in den Akten verifizieren müssen, eine Heidenarbeit. Und ich fand wahrscheinlich bloß heraus, dass der Präsident vor dreißig Jahren mal eine Studentin an der Uni gebumst hatte, deren Slip von einer Firma hergestellt worden war, die den gleichen Namen trug wie der Hundefrisör von Walcotts erstem Hündchen. Und dass der Sliphersteller und der Hundefrisör weder verwandt noch verschwägert waren. Prima. Ich nahm die Liste, überflog sie kurz und machte mich an die Arbeit.
Ganze zwölf Stunden, eine gelieferte Pizza, zwei Liter Kaffee und drei Biere später war es so weit. 265 Namen hatte ich überprüft, Verbindungen nicht herstellen können, nachweisbare als unbedeutend deklariert oder als Zufall einstufen müssen. Zwei Namen waren noch übrig. Mein Gefühl sagte mir: Hier lag der Hund begraben. Roseanne Parker. James Parker. Ich hatte noch fünf andere Parkers gefunden, doch die waren schnell in den Pool der Nichtigkeiten gewandert. Die beiden waren es. Ganz klar. Dass ich noch nicht früher darauf gestoßen war, lag an einem Anfängerfehler: Bislang hatte ich nur nach gleichen Namen gesucht, nach identischen Personen in den Akten der beiden, statt mich auf die Nachnamen zu beschränken. Verwandt und verschwägert, logisch. Eventuelle Blutsbande, wenn auch noch so weit verzweigte, zwischen dem Präsidenten und Walcott hatte ich selbstverständlich überprüft. Aber Verbindungen zwischen angeheirateter Verwandtschaft und Bekanntschaft mit deren Verwandten … Roseanne Parker war nichts weniger als der Mädchenname der First Lady. James Parker war ihr Bruder. Ihr einziger Bruder. Er war vor Jahren unter Walcotts Kommando in Israel bei einem Geheimschlag gegen die Hamas gefallen. James Parker war nur noch ein Name. Eine Leiche. Und ich war mir sicher, dass diese Leiche exakt die im Keller von Walcott und dem Präsidenten war. Ich ärgerte mich wie verrückt, dass ich den Zusammenhang nicht gleich erkannt hatte. Mein unbekannter Helfer lag richtig, ich war ein Idiot.
Ich fuhr sofort zu Snyder. Es war mir egal, wie spät es war. Ihm auch, als er das Ergebnis meiner Recherche sah. Während er las, trank ich einen Brandy. Ich hätte besser etwas gegessen. Seit Tagen aß ich zu wenig und schlief kaum.
Zu meiner Überraschung kommentierte Snyder den anonymen Helfer nur beiläufig. Lediglich ein kryptisches: »Ich hätte da eine vage Idee, was den Absender betrifft.« Mit mehr wollte er nicht herausrücken. Die
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