Animus
seiner Aufträge bedurfte keiner lobenden Erwähnung, sondern war selbstverständlich. »Und was gibt es Neues von Marc und der Rattenfront?«
Sein Gast warf einige Fotos auf den Tisch, die mit einer digitalen Infrarotkamera aufgenommen worden waren. Sie zeigten Pete Fowler und Evelyn Karner beim Betreten einer Bar in der vorangegangenen Nacht. Er nahm die Fotos und betrachtete sie eingehend.
»Ich habe sie nie gesehen. Aber es passt nur so zusammen: Das Girlie muss seine Stiefschwester sein. Marc war damals völlig fertig, als die Kleine in den Knast kam. Dass die jetzt bei den Ratten gelandet ist, kann kein Zufall vor. Hast du darüber schon was in Erfahrung gebracht?«
»Nein. Ich habe null Ansatzpunkte, um das Gespräch auf die Neue zu bringen. Das wäre zu auffällig. Woher sollte ich was über sie wissen?«
»Ja, schon gut. Gibt es sonst noch etwas?«
»Alles ziemlich heikel. Ich konnte noch nichts über die Verbindung von Marc zu diesem Secret-Service-Mann herauskriegen. Marc ist bislang ein Tabuthema. Gar nicht existent. Aber irgendwas läuft, das ist sicher. Dieses Rattenseminar sieht zwar nach außen hin unauffällig aus, aber ich bin mir ganz sicher, dass was dahintersteckt.«
»Ein paar Fakten wären nicht schlecht, mein Lieber«, wies Conrad seinen Spitzel zurecht.
»Kommt noch. Das wird dir gefallen: Wenn das Rattenseminar vorbei ist, also übermorgen, sollten die Weiber eigentlich zurück in dieses ominöse Lager …«
»… von dem wir ebenfalls noch immer nichts Genaues wissen«, unterbrach Conrad sauer.
»Jetzt hör mir doch mal zu! Die hochrangigen Ratten bleiben alle in Washington!«
Nun war Conrads Aufmerksamkeit geweckt.
»Es ist irgendein Politikertreffen geplant. Mitte Januar wird der Präsident mit einigen wichtigen Mitgliedern der Regierung hier in Washington konferieren. Die Ratten sollen dieses Meeting absichern. Scheint supergeheim zu sein …«
Conrad pfiff leise durch die Zähne. Endlich mal was Interessantes. Großmütig lächelnd, wandte er sich seinem Gast zu. Der Junge war ihm plötzlich wichtig. Der Wichtigste im Moment. Denn er war dran. Verdammt dicht dran. Als Einziger.
»Gut gemacht, Nicolas. Weiter so«, lobte er ihn.
37. Die Leiche im Keller
Pete, 36, Geheimagent
Ich war wieder damit beschäftigt, hinter Geheimnissen herzujagen. Die Nacht zuvor war ich gegen drei Uhr von meiner Spritztour mit Ev zurückgekehrt, hatte mich gleich ins Bett gelegt und Stunden in unruhigen Träumen verbracht, bis mich das Telefon kurz vor elf am nächsten Morgen aufweckte. Lucy parlierte fröhlich über das erfolgreiche Seminar und das prächtige Wetter. Ich hatte den Eindruck, dass sie mich sehen wollte, es aber nicht zugeben mochte. Da ich auch heute durchzuarbeiten gedachte, beschlossen wir, uns am folgenden Abend auf der Silvesterparty im Enterprise zu treffen. Nachdem ich aufgelegt hatte, kochte ich mir eine große Kanne Kaffee und setzte mich an den Computer. Uninspiriert blickte ich auf die sich aufbauenden Seiten. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wie ich weiter vorgehen sollte. Die Daten, die ich bislang gesammelt hatte, führten zu keinem Ergebnis, zumindest zu keinem für mich ersichtlichen Ergebnis. Snyder würde sich etwas anderes überlegen müssen, um den Präsidenten und seine Pläne auszubremsen. Ich schaute in meine Mailbox, um den erneuten Beginn meiner Recherche noch etwas hinauszuzögern. In der Nacht war Post von einem mir unbekannten Absender gekommen: Sie suchen falsch, Sie Idiot! Was zählt, sind Banalitäten: Namen und Geld. Fangen Sie mit Ersterem, an und denken Sie über Letzteres nach.
Schlaumeier, dachte ich genervt, als hätte ich nicht schon genug Namen überprüft. Mein zweiter Gedanke betraf die Frage nach dem unidentifizierbaren Absender. Nur Snyder wusste von meiner Schnüffelarbeit. Ich griff zum Handy und rief meinen Boss zu Hause an. Snyder hatte zwischen den Feiertagen Urlaub genommen und war gerade mit einem späten Frühstück beschäftigt. Fünf Minuten später legte ich irritiert wieder auf. Auch Snyder war mehr als beunruhigt, denn die Nachricht kam nicht von ihm.
Wie konnte irgendjemand Wind von der Angelegenheit bekommen haben? Nicht einmal Lucy wusste Bescheid! Wer war der geheimnisvolle Dritte? Es konnte nur jemand sein, der auch über die »Endlösung« informiert war. Zweiter Fakt war, dass dieser Jemand sich dazu entschieden hatte, mich zu unterstützen. Oder war die Mail eine Falle? Ein Hacker, der sich in mein System
Weitere Kostenlose Bücher