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Anita Blake 04 - Giergige Schatten

Anita Blake 04 - Giergige Schatten

Titel: Anita Blake 04 - Giergige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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danach halb gefressene Leichen ansehen sollte. Der Tote dachte wahrscheinlich, dass es auch kein Vergnügen gewesen war, gefressen zu werden.
    Ich atmete tief die kalte Luft ein. Mein Atem bildete Nebel. Ich roch keine Verwesung. Hätten wir Sommer, der Gestank wäre jetzt voll entwickelt. Ein Hoch auf die Kälte.
    »Haben Sie vor, sich die Leiche von hier aus anzusehen?«, fragte Titus. »Nein«, sagte ich. »Sieht aus, als würde Ihr Experte die Nerven verlieren, Sergeant.«
    Ich drehte mich zu ihm um. Dieses runde Doppelkinngesicht steckte voller Selbstgefälligkeit. Er war mit sich zufrieden.
    Ich wollte die Leiche nicht sehen, aber die Nerven verlieren, niemals. »Sie sollten hoffen, dass das hier kein Tatort ist ... Sheriff, denn er wurde bis zum Geht-nicht-mehr zertrampelt.«
    »Sie machen damit nichts besser, Anita«, sagte Dolph leise.
    Er hatte Recht, aber ich war mir nicht sicher, ob mich das kümmerte. »Haben Sie irgendwelche Vorschläge, wie man die Spuren schützen kann, oder soll ich einfach drüberlatschen wie die fünfzigtausend Leute vor mir?«
     
    »Als mir befohlen wurde, die Lichtung zu verlassen, gab es nur vier Paar Fußspuren«, stellte Officer Holmes klar.
    Titus sah sie drohend an. »Nachdem ich festgestellt hatte, dass er von einem Tier zerrissen wurde, gab es keinen Grund, den Ort zu sichern.« Sein Akzent trat wieder deutlicher hervor.
    »Ja, klar«, sagte ich und sah Dolph an. »Irgendwelche Vorschläge?« »Gehen Sie einfach. Ich glaube nicht, dass da noch etwas zu retten ist.« »Sie kritisieren meine Leute?«, fragte Titus. »Nein«, antwortete Dolph, »ich kritisiere Sie.«
    Ich wandte mich ab, damit Titus mein Lächeln nicht sah. Dolph kann Idioten nicht gut ertragen. Er lässt sie sich ein bisschen länger gefallen als ich, aber wenn die Grenze einmal erreicht ist, sollte man in Deckung gehen. Kein Schreibtischhengst bleibt verschont.
    Ich schritt in die Senke hinab. Dolph brauchte meine Hilfe nicht, um Titus den Kopf abzureißen und auf einer Platte zu servieren. Am Rand der Senke brach die Schneekante ab, ich glitt auf den Blättern darunter aus und landete zum zweiten Mal auf dem Hintern. Aber diesmal an einem Abhang. So rutschte ich bis ganz hinunter, fast bis zur Leiche. Hinter mir gab es Gelächter.
    Ich saß auf dem Hintern im Schnee und starrte auf den Toten. Sollten sie so viel lachen, wie sie wollten, es war lustig. Nur der Tote war nicht lustig.
    Er lag auf dem Rücken. Der Mond schien auf ihn herab, sein Licht brach sich im Schnee und verlieh allem einen hellen Glanz. In einer Tasche des Overalls hatte ich eine Stablampe, aber die brauchte ich nicht. Oder wollte ich nicht. Es war genug zu erkennen, fürs Erste.
    Über die rechte Gesichtshälfte verliefen tiefe Kratzer. Eine Pranke hatte das Auge aufgerissen, Blut und Gewebe waren über die Wange geflossen. Das Kinn war zerquetscht, als sei es von einer Riesenhand gepackt worden. Das Gesicht war nur noch halb vorhanden. Der Mann musste höllische Schmerzen gelitten haben, denn umgebracht hatte ihn das nicht. Leider.
    Die Kehle war herausgerissen; daran war er vermutlich gestorben. Die Wirbel schienen mattweiß hervor, als hätte er ein Gespenst verschluckt und es nicht hinuntergekommen. Sein Tarnfarbenoverall war über dem Bauch aufgerissen. Was darunter lag, war wie durch einen Trick des Mondlichts in Dunkelheit getaucht. Ich konnte die Verwundung nicht erkennen. Musste ich aber.
    Ich ziehe nächtliche Begutachtungen vor. Die Dunkelheit nimmt allem die Farbe. Irgendwie erscheint es bei Nacht nicht so wirklich. Leuchten Sie mit einer Lampe da rauf, und die Farben springen Sie an: Das Blut leuchtet scharlachrot, die Knochen glänzen, die Sekrete kommen in Grün, Gelb, Braun. Im Licht lässt sich alles unterscheiden. Das hat nicht nur Vorteile.
    Ich streifte mir die Chirurgenhandschuhe über. Sie saßen wie eine kalte zweite Haut. Obwohl ich sie in der Innentasche gehabt hatte, fühlten sie sich kalt an. Ich knipste die Taschenlampe an. Der schmale, gelbliche Lichtstrahl wurde vom hellen Mondschein gedämpft, schnitt aber durch dunkle Stellen wie ein Messer. Die Kleidungsschichten waren abgeschält worden wie eine Zwiebel: Overall, Hose, Hemd, Thermounterwäsche. Haut und Fleisch waren zerrissen. Das Licht schien auf erstarrtes Blut und vereiste Fleischfetzen. Von den inneren Organen fehlten die meisten. Ich leuchtete den umliegenden Schnee ab, aber da war nichts zu finden. Was fehlte, war fort.
    Der Darminhalt hatte

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