Anita Blake 04 - Giergige Schatten
erschreckend.
»Ich bin Autorin. Ich arbeite an einem Buch über Gestaltwandler.«
Mein Lächeln wurde an den Rändern welk. »Tatsächlich. Und was bringt Sie zu Animators, Inc.?«
»Das Buch ist so aufgebaut, dass sich jedes Kapitel einer anderen Tiergestalt widmet. Ich stelle den Werdegang irgendeines aus der Geschichte bekannten Gestaltwandlers dar und danach das persönliche Profil eines zeitgenössischen Gestaltwandlers.«
Mein Gesicht begann zu schmerzen, und ich wusste, mein Lächeln war mehr ein Entblößen der Zähne als sonst etwas. »Klingt nach einem interessanten Buch. Wie kann ich Ihnen nun aber helfen?«
Sie riss ihre prachtvollen Augen auf und sah mich verwirrt an. Ein verwirrtes Gesicht machen konnte sie gut. Noch einen Augenblick vorher hatte ich die Intelligenz in ihrem Blick gesehen. Das dumme Blondchen war nur aufgesetzt. Hätte das bei einem Mann gewirkt? Ich hoffte es nicht.
»Mir fehlt noch ein Interview. Ich muss eine Werratte finden. Das Interview kann streng vertraulich bleiben.« Das dumme Blondchen war so schnell verschwunden, wie es gekommen war. Sie hatte gemerkt, dass ich es ihr nicht abnahm.
Das Interview kann - nicht wird - vertraulich bleiben.
Ich seufzte und gab das Lächeln auf. »Wie kommen Sie darauf, dass ich eine Werratte für Sie finden kann?« »Mr Vaughn hat mir versichert, wenn mir auf diesem Gebiet jemand helfen kann, dann Sie.«
»Ach, wirklich?« Sie lächelte mich mit strahlenden Augen an. »Er schien sich sehr sicher zu sein, dass Sie mir helfen können.«
»Mein Boss verspricht viele Dinge, Ms Drew. Meistens dann, wenn er sie nicht einlösen muss.« Ich stand auf. »Wenn Sie einen Augenblick hier warten könnten, ich möchte mit Mr Vaughn Rücksprache halten.«
»Ich werde warten.« Ihr Lächeln war noch genauso süß wie vorher, aber ihr Blick ließ mich wissen, dass ihr völlig klar war, welche Art Rücksprache ich im Sinn hatte.
Das Büro draußen war hellgrün, von den dezent orientalisch gemusterten Tapeten bis zum Teppichboden, und in jeder freien Nische gediehen Topfpflanzen. Bert meinte, die Pflanzen gäben dem Büro etwas Wohnliches. Ich fand, es sah wie eine billige Urwaldkulisse aus.
: Mary, unsere Tagessekretärin, sah lächelnd von der Computertastatur auf. Mary war über fünfzig und ihr Blond zu intensiv, um echt zu sein. »Sie brauchen etwas, Anita?« Ihr Lächeln war freundlich. Ich hatte sie so gut wie noch nie schlecht gelaunt gesehen. Eine gute Eigenschaft für eine Empfangsdame.
»Ja, den Boss.«
Sie legte den Kopf schräg, ihr Blick wurde plötzlich wachsam. »Warum?«
»Ich habe heute ohnehin einen Termin bei Bert. Ich habe Craig gebeten, mich einzutragen.« Sie schaute über das Terminbuch. »Das hat er getan, und Bert hat es gestrichen.« Ihr Lächeln war verschwunden. »Er ist heute wirklich sehr beschäftigt.«
Das reichte. Ich ging auf Berts Tür zu. »Er hat gerade einen Klienten bei sich«, warnte Mary. »Prima«, sagte ich. Ich klopfte an und öffnete die Tür, ohne auf Erlaubnis zu warten.
Berts Schreibtisch nahm den größten Teil des hellblauen Zimmers ein. Er hatte das kleinste der drei Büros, dafür hatte er es für sich allein. Wir anderen mussten rotieren. Auf dem College hatte er Football gespielt, und das sah man ihm heute noch an. Breite Schultern, kräftige Hände, eins dreiundneunzig groß und stolz auf jeden Zentimeter. Seine Segelbräune war vom Winterwetter ausgeblichen. Bei dieser Blässe wirkte der weiße Bürstenschnitt nicht ganz so dramatisch.
Seine Augen haben die Farbe von schmutzigen Fensterscheiben, eine Art Grau. Diese Augen blickten mich jetzt zornig an. »Ich habe eine Besprechung, Anita.«
Ich erübrigte einen Blick für den Mann, der ihm gegenübersaß. Es war Kaspar Gunderson. Er war heute ganz in Weiß gekleidet, und das betonte alles. Wie ich ihn je hatte ansehen und für einen Menschen halten können, war mir unbegreiflich. Er lächelte. »Ms Blake, nehme ich an.« Er hielt mir eine Hand hin.
Ich schüttelte sie. »Wenn Sie nur für einen Moment draußen warten könnten, Mr…» »Gunderson«, sagte er. »Mr Gunderson, ich muss mit Mr Vaughn sprechen.« »Ich glaube, das kann warten, Anita«, erwiderte Bert. »Leider nein«, beharrte ich. »Doch«, sagte er.
»Möchten Sie diese eigentümliche Unterhaltung vor einem Klienten weiterführen, Bert?«
Er musterte mich, seine kleinen, grauen Augen wurden dabei noch kleiner. Es war sein gemeiner Blick. Der hatte bei mir noch nie
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