Anita Blake 04 - Giergige Schatten
berührte meine Stirn, und ich zuckte zusammen. »Du siehst nicht danach aus.« »Jean-Claude wird mir nichts tun.«
»Das kannst du nicht sicher wissen«, sagte er. Da hatte er Recht. »Du kannst mich nicht schützen, Richard. Wenn du dabei bist, ist das unser Tod.« »Ich kann dich nicht allein gehen lassen.« »Komm mir nicht mit männlichem Gehabe, Richard. Das ist ein Luxus, den wir uns nicht leisten können. Wenn meine Einwilligung in die Heirat dazu führt, dass du dich wie ein Idiot aufführst, dann lässt sich das ändern.«
»Du nimmst das Ja zurück.« »Ich sage aber auch nicht ausdrücklich nein.« »Allein der Versuch, dich zu beschützen, lässt dich nein sagen?« »Ich brauche deinen Schutz nicht, Richard. Ich will ihn nicht einmal.«
Er lehnte sich an die Kopfstütze und schloss die Augen. »Wenn ich den weißen Ritter spiele, verlässt du mich.« »Wenn du glaubst, dass es nötig ist, den weißen Ritter zu spielen, kennst du mich überhaupt nicht.« Er drehte den Kopf und sah mich an. »Vielleicht will ich aber dein weißer Ritter sein.« »Das ist dein Problem.« Er lächelte. »Schätze ich auch.«
»Wenn du den Jeep zu meiner Wohnung fährst, nehme ich mir ein Taxi.« »Stephen kann dich fahren«, schlug er vor. Er fragte nicht einmal danach, was Stephen davon hielt. Das war arrogant. »Nein, ich nehme ein Taxi.«
»Es macht mir nichts aus«, sagte Stephen. »Ich muss heute Abend sowieso zum Guilty Pleasures.« Ich sah ihn an. »Womit verdienen Sie Ihr Geld, Stephen?«
Er legte die Wange auf den Unterarm und lächelte mich an. Er brachte es fertig, gewinnend und sexy zugleich zu gucken. »Ich bin Stripper«, antwortete er.
Was sonst. Ich wollte anmerken, dass er sich geweigert hatte, in einem pornografischen Film mitzuspielen, obwohl er strippte. Aber sich bis zur Unterwäsche auszuziehen war nicht dasselbe, wie vor der Kamera Sex zu haben. Nicht annähernd.
23
Lillian war klein und Mitte fünfzig. Sie trug ihr schwarz-graues Haar als nüchternen, ordentlichen Kurzhaarschnitt. Ihre Finger waren so flink und sicher wie die ganze Person. Beim letzten Mal, als sie mich ärztlich versorgte, hatte sie Krallen und ein angegrautes Fell gehabt.
Ich saß auf einem Untersuchungstisch im Keller eines Wohnhauses. Es wurde von Lykanthropen bewohnt und gehörte einem Gestaltwandler. In dem Keller befand sich die Behelfsklinik für die Lykanthropen der Umgebung.
Ich war der erste Mensch, dem sie je erlaubt hatten, ihn zu sehen. Ich hätte mich geschmeichelt fühlen können, schaffte es aber, mir das zu verkneifen.
»Nun, nach dem Röntgenbild haben Sie keine Schädelfraktur.« »Schön zu hören«, sagte ich. »Möglich, dass Sie eine leichte Gehirnerschütterung haben, aber die würde man bei einem Test nicht sehen, zumindest nicht bei unserer Ausrüstung.« »Dann kann ich also gehen?« Ich machte Anstalten, vom Tisch zu steigen.
Sie hielt mich mit einer Hand zurück. »Das habe ich nicht gesagt.« Ich rutschte wieder zurück. »Ich höre.« »Aber widerwillig«, sagte sie lächelnd. »Wenn Sie von mir in jeder Lage Haltung erwarten, Lillian, dann bin ich nicht die Richtige.«
»Ach, da bin ich mir nicht so sicher«, erwiderte sie. »Ich habe die Kratzer gesäubert und Ihre Stirnwunde verklebt. Sie haben Glück, dass keine Stiche notwendig sind.«
Ich war ihrer Meinung, denn nähen gefiel mir nicht.
»Ich will, dass Sie sich in den nächsten vierundzwanzig Stunden stündlich wecken lassen.« Ich sah wohl nicht erfreut aus, denn sie sagte: »Ich weiß, das ist lästig und wahrscheinlich unnötig, aber tun Sie mir den Gefallen. Wenn Sie sich schlafen legen und doch schwerer verletzt sind, als ich annehme, wachen Sie vielleicht nicht mehr auf Also hören Sie auf eine alte Rattendame. Stellen Sie sich den Wecker oder lassen Sie sich von jemandem wecken.«
»Vierundzwanzig Stunden von der Verletzung an gerechnet?«, fragte ich hoffnungsvoll. Sie lachte. »Normalerweise würde ich sagen, von jetzt an, aber Sie können vom Zeitpunkt der Verletzung aus zählen. Wir wollen nur vorsichtig sein.«
»Ich bin gerne vorsichtig.« Richard löste sich von der Wand. Er trat zu uns unter die Deckenlampe. »Ich melde mich freiwillig, um dich zu wecken.« »Du kannst nicht mitkommen«, widersprach ich. »Ich werde vor deiner Wohnung auf dich warten.« »Übrigens heute Nacht auch nicht Auto fahren«, bat Lillian. »Vorsichtshalber.«
Richard berührte mich mit den Fingerspitzen. Er versuchte nicht,
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