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Anita Blake 04 - Giergige Schatten

Anita Blake 04 - Giergige Schatten

Titel: Anita Blake 04 - Giergige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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Hause auf mich warten?« Er nickte, zog den Kopf von mir weg. Ich wollte ihn zu mir heranziehen. Wollte ihn küssen. So standen wir zögernd da. Er kam auf mich zu. Unsere Lippen berührten sich. Es wurde ein sanfter, flüchtiger Kuss. Dabei starrten wir einander an. Seine Augen waren unendlich tief, und plötzlich spürte ich seinen Körper wie einen Stromschlag in meinem Bauch. Ich fuhr zurück. »Nein, nicht. Ich weiß nicht mehr, wie ich für dich empfinde.«
    »Dein Körper weiß es«, sagte er. »Wenn Lust alles wäre, wäre ich mit Jean-Claude zusammen.«
    Sein Gesicht fiel in sich zusammen, als hätte ich ihn geohrfeigt. »Wenn du mich wirklich nicht mehr Wiedersehen willst, dann erzähle ihm nicht von der Verlobung. Das ist es nicht wert.«
    Er sah so verletzt aus. Das war eine Sache, die ich nie hatte tun wollen. Ich legte eine Hand auf seinen Arm. Die Haut war weich, warm, echt. »Wenn ich es vermeiden kann, werde ich es tun, aber ich glaube nicht, dass Gretchen mir da eine Wahl lässt. Im Übrigen kann Jean-Claude es riechen, wenn man lügt. Du hast einen Antrag gemacht, und ich habe >ja< gesagt.«
    »Sag, du hättest deine Meinung geändert, Anita. Sag ihm, warum. Das wird ihm gefallen. Sag, dass ich dir zu wenig Mensch bin.« Er zog sich von mir zurück. »Das geht ihm runter wie Öl.« Er klang bitter, wütend. Seine Bitterkeit war so dick, dass man darauf laufen konnte. So hatte ich ihn noch nie gehört.
    Ich konnte es nicht aushalten. Ich ging um ihn herum und schlang die Arme um seine Taille, drückte das Gesicht in die Rückenfurche, bettete die Wange zwischen seine gewölbten Schulterblätter. Er wollte sich umdrehen, aber ich hielt ihn umso fester. Er stand sehr still in meiner Umarmung, berührte zuerst zaghaft meine Arme, dann drückte er sie an sich. Ein Schaudern durchlief seinen Rücken. Sein Atem kam in langen Stößen.
    Ich drehte ihn zu mir herum. Auf seinen Wangen glänzten Tränen. Himmel. Mit weinenden Leuten konnte ich noch nie gut umgehen. Meine erste Regung war dann, ihnen alles und jedes zu versprechen, nur damit sie aufhörten zu weinen.
    »Nicht«, bat ich. Ich fasste mit der Fingerspitze in eine Träne. Sie hing zitternd an meiner Haut. »Lass dich nicht davon zerreißen, Richard. Bitte.«
    »Ich kann kein Mensch mehr werden, Anita.« Er klang ganz normal. Hätte ich die Tränen nicht gesehen, ich hätte nicht bemerkt, dass er weinte. »Ich würde ein Mensch gW dich werden, wenn ich könnte.«
    »Vielleicht möchte ich das gar nicht, Richard. Ich weiß es nicht. Lass mir ein wenig Zeit. Wenn ich nicht damit zurechtkomme, dass du ein Fell hast, dann will ich es lieber jetzt wissen.« Ich fühlte mich schrecklich, gemein und kleinlich. Er war hinreißend. Ich liebte ihn. Er wollte mich heiraten. Er unterrichtete Naturwissenschaften an der Junior High. Er ging gern wandern und zelten. Um Himmels willen, er sammelte sogar Musicals. Und er war der nächste Rudelführer. Das Alphatier. Scheiße.
    »Ich brauche Zeit, Richard. Es tut mir so leid, aber so ist es.« Ich hörte mich an wie ein Trottel. Ich war noch nie im Leben so unschlüssig gewesen.
    Er nickte, sah aber nicht überzeugt aus. »Du wirst mir am Ende vielleicht den Laufpass geben, riskierst aber dein Leben, um Jean-Claude davon zu erzählen. Das ist doch sinnlos.«
    Da musste ich ihm zustimmen. »Ich muss heute Nacht mit ihm reden, Richard. Ich will nicht noch einen Zusammenstoß mit Gretchen. Nicht, wenn ich etwas dagegen tun kann.«
    Richard wischte sich über das Gesicht, fuhr sich durch die Haare. »Lass dich nicht umbringen.« »Tue ich nicht.« »Versprich es«, sagte er.
    Ich wollte sagen: »Versprochen«, stattdessen sagte ich: »Ich verspreche nichts, was ich nicht halten kann.« »Kannst du nichts Beruhigendes sagen und ein bisschen lügen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein.« Er seufzte. »Jetzt weiß ich, was schmerzhaft ehrlich heißt.« »Ich muss los.« Ich ging, ehe er mich erneut festhalten konnte. Ich fing schon an zu glauben, er hielte mich absichtlich auf. Andererseits ließ ich mich aufhalten.
    »Anita.« Ich war fast an der Tür. Ich drehte mich um. Er stand unter der grellen Lampe, ließ die Arme hängen und wirkte ... hilflos.
    »Wir haben uns zum Abschied geküsst. Du hast mir gesagt, ich soll vorsichtig sein. Ich habe dich gewarnt, nicht den Helden zu spielen. Das ist genug, Richard. Mehr gibt es nicht zu sagen.«
    »Ich liebe dich.«
    Na gut, etwas gab es noch zu sagen. »Ich liebe dich auch.«

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