Anita Blake 05 - Bleich Stille
begreife diese moderne Leidenschaft für Größe nicht.« Er ließ die Hände so dicht über meine Strumpfhose gleiten, dass ich schon die Wärme auf der Haut spürte. »Hören Sie auf«, sagte ich.
»Womit?« Er klang äußerst harmlos. Na klar.
Ich schüttelte den Kopf. Von Jean-Claude zu verlangen, keine Nervensäge zu sein, war, als wollte man verlangen. Regen möge nicht nass sein. Wozu es versuchen?
»Schön, flirten Sie, so viel Sie wollen, aber behalten Sie im Kopf, dass Sie hier sind, um das Leben eines Jungen zu retten. Eines Jungen, der vielleicht vergewaltigt wird, wählend wir hier sitzen und Zeit vergeuden.«
Er seufzte tief. In meiner Miene musste sich etwas abgezeichnet haben, denn er setzte sich in den anderen Sessel und versuchte nicht mehr, mir nahe zu kommen. »Ma petite, Sie haben eine Art, einem die ganze Lust am Verführen zu nehmen.« »Hurra«, sagte ich. »Können wir jetzt zum Wesentlichen kommen?«
Er lächelte sein schönes, makelloses Lächeln. »Ich habe arrangiert, dass wir heute Nacht mit dem Meister von Branson zusammentreffen.« »Einfach so«, sagte ich. »War es nicht das, was ich tun sollte?«, fragte er. Da war wieder dieser amüsierte Beiklang.
»Doch. Ich bin es nur nicht gewohnt, dass Sie genau das tun, was ich verlange.« »Ich würde alles für Sie tun, was Sie wollen, ma petite, wenn Sie mich nur ließen.« »Ich wollte immer, dass Sie aus meinem Leben verschwinden. Das schienen Sie nicht tun zu wollen.«
Er seufzte. »Nein, ma petite, das will ich nicht tun.« Er ließ es dabei bewenden. Keine Vorwürfe, dass ich mit Richard anstatt mit ihm zusammen sein wollte. Keine vagen Drohungen gegen Richard. Es war irgendwie seltsam.
»Sie führen etwas im Schilde«, sagte ich. Er drehte sich mir zu, mit großen Augen und die Hand aufs Herz gelegt. »Moi?«
»Ja, Sie«, sagte ich. Ich schüttelte den Kopf und schwieg dazu. Er hatte etwas vor. Ich kannte ihn gut genug, um die Anzeichen zu erkennen, aber ich kannte ihn auch gut genug, um zu wissen, dass er es mir nicht eher sagte, bis es soweit war. Keiner war so verschwiegen wie Jean-Claude, und keiner hatte so viel zu verschweigen wie er. An Richard war keine Falschheit. Jean-Claude war die Täuschung in Person.
»Ich muss mich umziehen und packen, bevor wir gehen.« »Das schöne rote Kleid ausziehen, warum? Weil es mir gefällt?« »Nicht deshalb«, sagte ich, »wenn gleich das ein Bonus ist. Ich kann in dem Rock das Innenholster nicht tragen.«
»Ich will nicht bestreiten, dass eine zweite Waffe unserer Machtdemonstration morgen Nacht zugutekommt.« Ich stutzte und drehte den Kopf. »Was heißt >morgen Nacht«
Er spreizte die Hände. »Die Dämmerung naht, ma petite. Wir können vor Sonnenaufgang nicht einmal dort ankommen.« »Verdammter Mist«, sagte ich leise, aber mit Nachdruck. »Ich habe mein Teil getan, ma petite. Doch selbst ich kann die Sonne nicht aufhalten.«
Ich lehnte mich in dem Zweisitzer zurück, griff so fest in die Polsterkante, dass es schmerzte. Ich schüttelte den Kopf.
»Wir werden zu spät kommen, um ihn zu retten.« »Ma petite, ma petite.« Er kniete sich vor mich, schaute zu mir auf. »Warum liegt Ihnen der Junge so sehr am Herzen? Warum ist sein Leben so kostbar für Sie?«
Ich blickte in Jean-Claudes perfektes Gesicht und hatte keine Antwort. »Ich weiß es nicht.«
Er legte seine Hände auf meine. »Sie quälen sich, ma petite.«
Ich zog meine Hände weg und verschränkte die Arme. Jean-Claude blieb knien, die Hände rechts und links neben mir. Er war entschieden zu nah, und mir war plötzlich sehr bewusst, wie kurz mein Rock war.
»Ich muss packen«, sagte ich. Gefällt Ihnen das Zimmer nicht?« Er kam mir näher vor, ohne dass er sich bewegt hatte. Ich konnte die Umrisse seines Körpers heiß an meinen Beinen spüren. »Weg«, sagte ich.
Er rückte ein Stück weg, blieb aber auf den Hacken sitzen, sodass ich gezwungen war, mich an ihm vorbeizuschieben. Der Rocksaum streifte seine Wange, als ich aufstand.
»Sie sind eine schreckliche Nervensäge.« »Wie hübsch, dass Sie es bemerken, ma petite. Warum nun wollen Sie aus dem schönen Zimmer ausziehen?« »Es wurde von einem Klienten bezahlt, der jetzt kein Klient mehr ist.« »Warum denn nicht, ma petite?« »Ich habe die Pistole auf ihn gerichtet.«
Er riss die Augen auf, fabrizierte eine perfekte Maske der Überraschung. Die Maske verrutschte,
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