Anita Blake 05 - Bleich Stille
hastete schneller den Hang runter, als es aussah, zumal trotz des Mondscheins schlecht zu sehen war. Schließlich verschwand er in den Büschen, die man auf halber Höhe stehen gelassen hatte.
»Bitte sagen Sie mir, dass er sich nicht einfach in Luft auflöst hat«, sagte Larry. »Er hat sich nicht in Luft aufgelöst.« »Was hat er dann getan?« »Wie soll ich das wissen? Das wurde im Elfen-Kursus nicht durchgenommen.« Ich schüttelte den Kopf. »Machen wir, dass wir hier wegkommen. Ich weiß nicht, was los ist, aber ich glaube, unseren Klienten haben wir bestimmt verloren.«
»Sie meinen, wir sind unsere Hotelzimmer los?«
»Ich weiß nicht, Larry. Kehren wir um, dann sehen wir's a.« Ich sicherte die Browning, behielt sie aber in der Hand. Ich hätte sie lieber entsichert gelassen, aber das schien mir nicht klug, solange wir einen steinigen Abhang hinunter stolperten, nicht einmal bei Mondschein.
»Ich glaube, Sie können die Pistole jetzt wegstecken, Larry.« Er hatte sie nicht gesichert. »Das glauben Sie nicht.« »Ich habe meine gesichert.« »Ach.« Er guckte ein bisschen verlegen, sicherte sie aber und schob sie ins Holster. »Sie meinen, die hätten ihn wirklich erschossen?«
»Weiß ich nicht. Vielleicht. Beau hätte auf ihn geschossen, aber man sieht ja, was es uns genützt hat.« »Warum will Stirling Magnus tot sehen?« »Weiß ich nicht.« »Warum ist Magnus vor der Polizei geflohen?« »Weiß ich nicht.« »Es macht mich nervös, wenn Sie immerzu nur >weiß ich nicht< sagen.« »Mich auch«, sagte ich.
Ich schaute noch einmal kurz zurück, ehe der Gipfel aus dem Blickfeld verschwand. Die Geister wanden sich flackernd wie Kerzenflammen, wie kalte weiße Flammen. Ich hatte noch etwas erfahren, was mir gestern noch unbekannt gewesen war. Einige Skelette waren fast dreihundert Jahre alt. Hundertjahre älter, als Stirling uns gesagt hatte. Hundert Jahre machen einen großen Unterschied bei einer Erweckung. Warum hatte er gelogen? Vielleicht aus Angst, dass ich ablehnen könnte. Vielleicht. Darunter waren auch indianische Überreste. Scherben und Schmuck, Tierknochen, Zeug, das nicht europäisch war. Die Indianer dieser Gegend begruben ihre Toten nicht, wenigstens nicht in einfachen Gräbern. Und das hier war kein Hügelgrab.
Hier lief etwas, und ich hatte nicht die leiseste Ahnung was. Doch ich würde dahinter kommen. Vielleicht morgen, wenn wir uns neue Hotelzimmer besorgt, den schicken Jeep abgegeben, ein neues Auto gemietet und Bert gesagt haben würden, dass wir keinen Klienten mehr hatten. Vielleicht würde ich Larry sagen, er solle ihm die Neuigkeit eröffnen. Wozu hat man einen Lehrling, wenn er einem nicht ein bisschen von der lästigen Arbeit abnimmt?
Schon gut, schon gut, ich würde es Bert selber sagen, aber mit Freude sah ich dem nicht entgegen.
18
Als wir unten angestapft kamen, waren Stirling & Co. schon weg. Wir fuhren mit dem Jeep zum Hotel. Ich war doch überrascht, dass sie den Jeep nicht mitgenommen hatten, um uns zu Fuß gehen zu lassen. Stirling mir nicht wie ein Mann vor, der sich gern mit der Waffe bedrohen lässt. Aber wer tat das schon gern? Larrys Zimmer war das erste auf dem Gang. Mit der Zimmerkarte am Türschloss hielt er inne. »Meinen Sie, die Zimmer-sind für heute bezahlt, oder sollen wir packen?« »Wir packen«, sagte ich.
Er nickte und schob die Karte in den Schlitz. Der Türknauf drehte sich, und Larry ging ins Zimmer. Ich ging zur nächsten Tür und steckte meine Karte hinein. Es gab eine Verbindungstür zwischen den Zimmern, die wir aber nicht aufgeschlossen hatten. Ich persönlich schätzte meine Privatsphäre, auch bei Freunden. Und besonders bei Mitarbeitern.
Die Stille des Zimmers hüllte mich ein. Es war wundervoll. Ein paar Minuten der Ruhe, bevor ich mich Bert stellen und ihm mitteilten würde, dass das ganze Geld den Bach runter war.
Ich hatte eine Suite mit einem vorderen Zimmer und einem separaten Schlafzimmer. Meine Wohnung war nicht viel größer. In die linke Wand war eine Bar eingebaut. Für einen Teetrinker wie mich war das ein echtes Plus. Die Wände hatten einen zarten Rosaton und ein feines Muster aus Goldrandblättern, der Teppich ein tiefes Weinrot. Die lange Couch war so tiefviolett, dass es beinahe schwarz aussah. Einen passenden Zweisitzer gab es auch. Zwei Sessel hatten ein weißes Blumenmuster auf violett-weinrotem Grund. Sämtliches Holz war dunkel und hochglänzend. Ich
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