Anita Blake 06 - Tanz der Toten
Seite an. »Sie wird keine Kugel für mich abfangen wollen.« »Wenn sie mich enttäuscht, gebe ich sie Sabin.«
Liv erbleichte, was für einen Vampir eine ordentliche Leistung ist, besonders wenn er gegessen hat. »Meister, bitte.« »Jetzt glaube ich, dass sie eine Kugel für mich abfängt«, sagte ich. Wenn zur Wahl stand, mit Sabin zu schlafen oder sich erschießen zu lassen, würde ich mich auch für die Kugel entscheiden. Nach Livs Miene zu urteilen, stimmten wir überein.
Jean-Claude ging, um seinen Auftritt zu absolvieren. Cassandra bemerkte meinen Blick. Sie war nicht nur blass geworden, sie war grün im Gesicht. Sie sah hastig ,weg, als fürchtete sie meinen Blick. »Es tut mir leid, Anita.« Sie ging zu der Tür, durch die sie hereingekommen war. Sie wirkte verlegen. Schätze, das konnte ich ihr nicht übel nehmen.
Cassandra war beim Leibwächtertest durchgefallen. Sie war ein machtvoller Lykanthrop, aber Sabin hatte sie völlig fertiggemacht. Wahrscheinlich wäre sie prima zurechtgekommen, wenn der Vampir einfach nur Gewalt angewendet hätte, aber er war bloß dagestanden und vor ihren Augen weitergefault. Was soll man tun, wenn die Monster plötzlich bedauernswert werden?
Die Türen wurden geöffnet, und die Menschen strömten wie eine Flutwelle herein, füllten lärmend die Räume. Ich steckte die Pistole in meine Handtasche, machte sie aber nicht zu.
Liv war dicht neben mir. »Ihr Tisch ist hier drüben.« Ich ging mit ihr, weil ich in dem Gedränge nicht allein sein wollte. Außerdem war ihr meine Sicherheit plötzlich sehr wichtig. Ich konnte ihr keinen Vorwurf machen. Sabins kranker Körper war eine wunderbare Drohung.
Ich hätte mich besser gefühlt, wenn ich nicht geglaubt hätte, dass Jean-Claude sie wahr machen würde. Aber ich machte mir nichts vor. Er würde Liv ausliefern. Das würde er wirklich tun. Und ihr Gesichtsausdruck sagte mir, dass sie das ebenfalls wusste.
16
Mein Tisch war der größte in einer Reihe kleiner schwarz lackierter Tische, die optisch mit den schwarzen Wänden verschmolzen. Mein Kleid passte zum Interieur. Ich würde mich wirklich nach etwas in einer anderen Farbe umsehen müssen. Der Tisch stand von der Wand abgerückt am Geländer, sodass mir die hereinströmenden Leute nicht die Sicht auf die Tanzfläche versperrten. Das bedeutete aber auch, dass mein Rücken ungeschützt war. Ich hatte meinen Stuhl so hingeschoben, dass ich hinter mir die Wand hatte, aber ich vergaß keinen Moment, dass das Geländer rechts hinter mir weiterging, sodass jemand heraufkommen und mich erschießen und dabei relativ unbemerkt bleiben konnte.
Natürlich war Liv bei mir. Sie stand hinter mir mit verschränkten Armen. Es fehlte nur noch ein Schild über ihr, wo Leibwächter draufstand.
Zugegeben, meine Handtasche war offen. Die Pistole war griffbereit, und ich war versucht, sie mir in den Scholl zu legen. Ich hatte eine Heidenangst, aber das war nicht das Entscheidende. Wir hatten einen Plan. Der Plan lautete nicht, den Killer zu verjagen.
Ich berührte Liv am Arm. Sie beugte sich herunter. »Sie dürfen nicht auffallen.« Sie runzelte verwundert die Stirn. »Ich soll für Ihre Sicherheit sorgen.«
»Dann setzen Sie sich hin, und benehmen Sie sich, als wären Sie meine Freundin. Die Falle wird nicht funktionieren, wenn es aussieht, als würde ich bewacht.«
Sie ging neben mir in die Hocke. Vermutlich war zum Bücken der Weg zu weit. »Ich will nicht riskieren, dass Sabin mich bekommt. Es ist mir egal, ob Ihr Killer weiß, dass ich hier bin.« Es war schwer, ihr einen Vorwurf zu machen, aber die Anstrengung nahm ich gern auf mich. Ich neigte mich zu ihr. »Hören Sie, entweder verhalten Sie sich nach Plan, oder Sie lassen mich allein.«
»Ich gehorche Jean-Claude, nicht seiner Mätresse.«
Soweit ich mich erinnern konnte, hatte ich nie etwas getan, um diese Bezeichnung zu verdienen. »Jean-Claude hat gesagt, wenn Sie ihn enttäuschen, gibt er Sie der faulenden Leiche, richtig?« Liv nickte. Ihr Blick wanderte aufmerksam über die Leute hinter mir. Sie versuchte wirklich, ihre Aufgabe zu erfüllen, sie gab sich sichtlich Mühe.
»Er hat nicht gesagt, dass er Sie bestrafen wird, wenn ich verletzt werde, oder?« Ihr Blick huschte zu mir. »Was wollen Sie damit sagen?« »Wenn Sie den Killer verscheuchen und den Plan vereiteln, haben Sie versagt.« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das hat er nicht gemeint.«
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