Anita Blake 08 - Göttin der Dunkelheit
nichts über ihn.
»Heißt das, ich werde deine Wohnung sehen?« »Du wirst bei Ted Forrester wohnen«, antwortete er. »Aber das bist du, Edward. Ich werde also bei dir zu Hause wohnen?« Einen Augenblick lang war er still, dann: »Ja.«
Plötzlich fand ich die Reise viel attraktiver. Ich würde Edwards Zuhause kennenlernen. Ich würde meine Nase in sein Privatleben stecken können, falls er eins hatte. Was konnte besser sein?
Doch eins beunruhigte mich noch. »Du hast gesagt, dass die Opfer drei Familien sind. Schließt das Kinder ein?« »Seltsamerweise nicht«, sagte er. »Na wenigstens etwas, Gott sei Dank.« »Bei den Kleinen bist du schon immer weich geworden«, fand er. »Macht es dir denn gar nichts aus, tote Kinder zu sehen?«
»Nein.«
Ein, zwei Sekunden hörte ich ihm beim Atmen zu. Ich wusste, dass ihn nichts berührte, nichts bewegte. Aber bei Kindern ... jeder Polizist fand es furchtbar, an einen Tatort zu müssen, wo das Opfer ein Kind ist. Das hatte etwas Persönliches. Selbst wer keine Kinder hatte, nahm das schwer. Dass Edward nicht so fühlte, machte mir etwas aus. Seltsam, aber so war es.
»Mir macht es schon etwas aus«, erwiderte ich. »Ich weiß«, meinte er, »einer deiner bedenklichen Fehler.« Da klang ein Hauch Belustigung mit. »Ich bin unter anderem sehr stolz darauf, dass ich im Gegensatz zu dir kein Soziopath bin.« »Du brauchst keiner zu sein, um mir den Rücken zu decken, nur ein guter Schütze, und der bist du, Anita. Unter den richtigen Umständen tötest du genauso leicht wie ich.«
Ich versuchte es gar nicht erst mit einem Einwand, weil mir keiner einfiel. Ich beschloss, mich auf den Kriminalfall zu konzentrieren statt auf meinen moralischen Niedergang. »Santa Fe hat also viele Durchreisende.«
»Das nicht«, sagte Edward, »aber eine große Fluktuation. Wir haben viele Touristen und eine Menge Leute, die dauerhaft hierherziehen und dann doch wieder abhauen.« »Das heißt, niemand kennt seine Nachbarn und ihren Tagesablauf.« »Genau.« Seine Stimme hatte diese Ausdruckslosigkeit, der eine Spur Müdigkeit anhaftet, und dazu noch etwas anderes. Irgendeinen Unterton.
»Du glaubst, es gibt noch mehr Leichen. Sie wurden nur noch nicht gefunden«, schloss ich.
Er schwieg kurz, dann sagte er: »Du hast es mir angehört, stimmt's ?« »Ja.« »Ich bin mir nicht sicher, ob mir das gefällt. Dass du so genau spürst, was ich denke.« »Entschuldigung. Ich werde versuchen, nicht so intuitiv zu sein.« »Lass nur. Deine Intuition ist einer der Gründe, warum du noch am Leben bist.« »Willst du dich über weibliche Intuition lustig machen?«, fragte ich.
»Nein, ich meine nur, dass du bei der Arbeit mit dem Bauch entscheidest, nach deinen Emotionen, nicht mit dem Kopf. Das ist deine Stärke und ein Schwachpunkt.« »Zu zartbesaitet, wie?« »Manchmal, und manchmal bist du innerlich genauso tot wie ich.«
Fast war es beängstigend, ihn das so sagen zu hören. Nicht, weil er mich mit sich in einem Atemzug nannte, sondern weil er wusste, dass in ihm etwas abgestorben war.
»Vermisst du die abgestorbenen Teile manchmal?« Ich hatte ihm noch nie eine so persönliche Frage gestellt. »Nein«, antwortete er. »Und du?«
Ich dachte einen Moment lang darüber nach. Ich wollte schon automatisch ja sagen, bremste mich aber noch. Ehrlich bleiben, es sollte immer ehrlich bleiben zwischen uns. »Nein, ich schätze nicht.«
Er gab ein kleines Geräusch von sich, fast ein Lachen. »Das ist mein Mädchen.«
Ich war zugleich geschmeichelt und leicht verärgert, dass ich »sein Mädchen« war. Im Zweifelsfall immer auf den Job konzentrieren. »Um was für ein Monster handelt es sich, Edward?«, fragte ich.
»Ich habe keine Ahnung.«
Ich stutzte. Edward war schon ein paar Jahre länger in der Branche als ich und kannte sich ein bisschen besser mit den Monstern aus. Er war um die ganze Welt gereist, um sie zu töten, und hatte Erfahrung mit Wesen, die ich nur aus Büchern kannte.
»Was soll das heißen: du hast keine Ahnung?«
»Ich habe noch nie etwas auf diese Art töten sehen, Anita.« Da schwang etwas mit, das ich von ihm nicht kannte - Angst. Edward, der Tod, wie ihn die Vampire und Gestaltwandler nannten, hatte Angst. Das war ein sehr schlechtes Zeichen.
»Du bist erschüttert, Edward. Das sieht dir gar nicht ähnlich.«
»Warte, bis du die Opfer siehst. Vom ersten Tatort gibt es nur Fotos,
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