Anita Blake 08 - Göttin der Dunkelheit
Hutband steckten ein paar Federn, doch der Hut selbst sah schon etwas mitgenommen aus. Der Rand war an beiden Seiten nach innen gebogen, als hätte sich das steife Material unter dem permanenten Griff seiner Hände verformt. Er trug ein weißes kurzärmliges Hemd, wie man es in Jedem Laden bekommt,
dazu eine dunkelblaue Jeans, die neu aussah, und ein Paar Wanderstiefel, die nicht neu aussahen.
Wanderstiefel? Edward ? Er hatte nie den Eindruck gemacht, als könnte er auf dem Land leben. Nein, er war eindeutig der städtische Typ, aber da stand er, sah aus wie ein Landei und schien sich dabei wohl zu fühlen. Er kam mir erst wie Edward vor, als ich seinem Blick begegnete. Man konnte ihn in jede Verkleidung stecken, ihn als Prinz Charming auf einen DisneyFestwagen stellen, sowie man seine Augen sah, wollte man schreiend weglaufen.
Seine Augen sind blau und kalt wie der Winterhimmel. Mit seinen blonden Haaren und dem schmalen, blassen Gesicht verkörpert er den weißen Amerikaner protestantisch-angelsächsischer Herkunft. Er kann harmlos erscheinen, wenn er will. Er ist ein vollendeter Schauspieler, aber wenn er sich nicht sehr anstrengt, verraten ihn seine Augen. Wenn die Augen ein Spiegel der Seele sind, dann ist Edward in Schwierigkeiten, denn bei ihm ist keine zu sehen.
Er lächelte mich an, und das Eis in seinen Augen schmolz ein wenig ab. Er freute sich, mich zu sehen, freute sich ehrlich. Zumindest so sehr er sich beim Anblick eines anderen freuen konnte. Das wirkte nicht beruhigend auf mich. In gewisser Hinsicht machte es mich nervös, weil der Hauptgrund seiner Sympathie damit zu tun hatte, dass wir gemeinsam immer mehr Leute töteten als getrennt. Ich zumindest. Soweit ich wusste, konnte Edward ganze Armeen niedermähen, wenn er nicht mit mir zusammen war.
»Anita«, sagte er. »Edward«, echote ich. Das Lächeln ging in Grinsen über. »Du scheinst dich gar nicht zu freuen.«
»Und dass du dich so freust, macht mich nervös, Edward. Du bist erleichtert, dass ich hier bin, und das ist beängstigend.«
Das Grinsen ließ nach. Die ganze Heiterkeit, die Willkommensfreude sickerte aus dem Gesicht wie Wasser aus einem gesprungenen Glas, bis es leer war. »Ich bin nicht erleichtert«, sagte er, aber es klang zu ausdruckslos.
»Lügner.« Ich hätte es lieber leise gesagt, aber der Flughafenlärm war wie eine tosende Brandung, er ließ keinen Moment nach.
Er blickte mich mit diesen mitleidlosen Augen an und nickte leicht. Er gab es zu. Vielleicht hätte er das noch in Worte gefasst, aber plötzlich erschien eine Frau an seiner Seite. Sie schob lächelnd die Arme um ihn und schmiegte sich an. Sie schien irgendwo in den Dreißigern zu sein, älter, als Edward aussah, allerdings kannte ich sein Alter eigentlich gar nicht. Sie hatte kurze braune Haare, einen praktischen Haarschnitt, der ihr aber schmeichelte. Sie war sehr sparsam geschminkt und trotzdem hübsch. Um die Augen und den Mund hatte sie Fältchen, die meine Schätzung von dreißig auf vierzig hochdrückten. Sie war kleiner als Edward, größer als ich, aber immer noch zierlich, wenn auch nicht zerbrechlich. Ihre Haut war ungesund stark gebräunt, was vielleicht die Fältchen erklärte. Dabei strahlte sie eine ruhige Stärke aus, wie sie mich so anlächelte und Edwards Arm festhielt.
Sie hatte Jeans an, die so gepflegt aussahen, dass sie gebügelt sein mussten, dazu eine weiße, kurzärmlige Bluse, die ein wenig durchsichtig war, sodass sie ein Spaghettitop darunter trug. In der Hand trug sie eine braune Lederhandtasche, die fast so groß war wie meine Reisetasche. Einen Moment lang überlegte ich, ob Edward sie auch von einem Flug abgeholt hatte, aber sie
wirkte so frisch und ohne Eile. Sie konnte nicht aus einem Flugzeug gestiegen sein.
»Ich bin Donna. Du musst Anita sein.« Sie streckte mir die Hand hin, und ich nahm sie. Sie hatte einen festen Händedruck, und ihre Haut war nicht zart. Sie hatte hart damit gearbeitet. Sie wusste auch, wie man jemandem die Hand schüttelt. Die meisten Frauen lernen es nie. Ich mochte sie sofort, ganz unwillkürlich, und misstraute dem Gefühl genauso schnell.
» Ted hat mir so viel von dir erzählt«, sagte Donna.
Ich sah zu Edward auf. Er lächelte, und sogar seine Augen waren gut gelaunt. Sein Gesicht, die ganze Körperhaltung hatte sich verändert. Er stand lässig da, sein Lächeln war träge. Er versprühte einen Good-Old-Boy-Charme. Als wäre er in
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