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Anita Blake 10 - Ruf des Bluts

Anita Blake 10 - Ruf des Bluts

Titel: Anita Blake 10 - Ruf des Bluts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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Flecken auf den Boden, dann tauchten wir wieder in Schatten ein. Im Schatten war es ein paar Grad kühler, aber immer noch stickig heiß. Es war fast Mittag, und selbst die Insekten waren in der Hitze verstummt.
     
    Plötzlich blieb Richard stehen. »Habt ihr das gehört?«, fragte er leise. Shang-Da sagte: »Da weint jemand. Eine Frau.«
     
    Ich hörte überhaupt nichts.
     
    Richard nickte. »Vielleicht.« Er rannte los, geduckt, die Hände fast am Boden. Seine Kräfte wirbelten hinter ihm wie das schäumende Kielwasser eines Schiffes.
     
    Ich folgte ihm und versuchte aufzupassen, wo ich hintrat, aber ich stolperte und fiel. Shang-Da half mir auf. Dann riss ich mich von ihm los und rannte. Ich achtete nicht mehr auf meine Füße, noch auf die Bäume. Ich starrte nur auf Richards Rücken, auf seine Bewegungen, und ahmte sie nach, vertraute darauf, dass ich durchpasste, wo er durchpasste. Ich sprang über Baumstämme, die ich erst sah, wenn er darübersprang. Es war hypnotisch. Die Welt verengte sich auf seinen rennenden Körper. Immer wieder stieß ich beinahe gegen Bäume, weil ich mich zwang, zu schnell zu laufen. Ich rannte schneller, als mein Gehirn die Eindrücke verarbeiten konnte. Wäre Richard in einen Abgrund gesprungen, ich wäre hinter ihm abgestürzt, weil ich mich nur noch bewegte. Ich hatte die Verantwortung an meinen Körper abgegeben, bestand nur noch aus arbeitenden Muskeln. Die Welt war ein verwischter Fleck aus grünem Licht und Schatten.
     
    Richard blieb so ruckartig stehen, als hätte jemand den Stecker rausgezogen. Von einer Sekunde auf die nächste, übergangslos. Aber ich prallte nicht gegen ihn. Ich blieb genauso plötzlich stehen. Als hätte mein Gehirn ohne mich erkannt, dass er anhalten würde.
     
    Shang-Da war hinter mir. Er stoppte so dicht bei mir, dass ich sein teures Rasierwasser roch. Er flüsterte: »Wie hast du das gemacht, Mensch?« Ich sah ihn fragend an. »Was?« »Laufen.«
     
    Das Wort sagte für einen der Lukoi mehr aus als für einen Menschen. Ich war von einem leichten Schweißfilm überzogen und war kaum außer Atem. Es hatte sich etwas verändert. Richard und ich hatten früher mal versucht, zusammen zu joggen, und es hatte nicht geklappt. Er war dreißig Zentimeter größer als ich, die meisten davon gingen auf die Beine. Wenn er bequem joggte, musste ich rennen und konnte auch dann kaum mithalten. Dazu kam, dass er Lykanthrop war und, tja, zu schnell für mich. Ich hatte nur einmal mit ihm Schritt halten können, das war, als er mich unter Einsatz der Macht unserer Zeichen an der Hand hinter sich herzog.
     
    Ich drehte mich zu Shang-Da um. In meinem Gesicht sah er eine Gefühlsregung, eine gelinde Verwunderung, und sein Blick wurde ein wenig mitleidig.
     
    Richard ging weiter, und wir folgten ihm. Als mein Puls sich verlangsamte, konnte ich es endlich auch hören: Weinen - was allerdings zu milde ausgedrückt war. Da schluchzte jemand, als würde ihm das Herz brechen.
     
    Richard ging darauf zu, wir hinterher. Auf einer Lichtung stand eine Platane. Hinter dem dicken, gescheckten Stamm kauerte eine Frau. Sie hatte die Beine eng an den Leib gezogen, die Arme um die Knie geschlungen, das Gesicht reckte sie mit zugekniffenen Augen der Sonne entgegen.
     
    Sie hatte tief dunkelbraune Haare, die sehr kurz geschnitten waren. Dunkle Wimpern klebten an den blassen Wangen. Das Gesicht war klein und dreieckig und vom Weinen arg mitgenommen, die Augen waren verquollen und gerötet. Sie war klein und hatte robuste Khakishorts, dicke Socken, Wanderstiefel und ein T-Shirt an.
     
    Richard kniete sich neben sie. Er berührte sie am Arm, bevor er etwas sagte, und sie riss weinend die Augen auf. Einen Moment lang stand ihr die nackte Panik im Gesicht, dann warf si(: sich ihm an die Brust, schlang die Arme um ihn und bekam eine neue Schluchzattacke.
     
    Er strich ihr übers Haar und murmelte: »Carrie, Carrie, ist ja gut, ist ja gut.«
     
    Carrie. Konnte das Dr. Carrie Onslow sein? Möglich. Aber wieso saß die Leiterin des Troll-Projekts mit einem Heulkrampf im Wald?
     
    Richard hatte sich inzwischen ganz hingesetzt und zog sie in seinen Schoß, als wäre sie ein Kind. Es war schwer zu sagen, aber sie schien mir kleiner zu sein als ich.
     
    Das Weinen ließ nach. Sie lag eingerollt in seinen Armen. Sie waren zusammen gewesen. Ich versuchte, Eifersucht in mir zu entdecken, ohne Erfolg. Ihr Kummer war zu groß.
     
    Richard streichelte ihr über die Wange. »Was hast du,

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