Anita Blake 10 - Ruf des Bluts
Carrie? Was ist passiert?« Sie holte tief Luft und atmete zitternd aus, dann nickte sie und sah Shang-Da an. »Shang-Da. « Ihr Blick wanderte zu mir. »Sie kenne ich nicht.« »Anita Blake«, stellte ich mich vor.
Ihre Wange ruhte an seiner Brust, darum brauchte sie nur die Augen zu verdrehen, um ihn anzublicken. »Sie sind seine Anita?« Er sah zu mir hoch. »Wenn wir nicht gerade wütend aufeinander sind, ja.«
Allmählich gewann sie die Fassung wieder und richtete sich ein wenig auf. Ich sah zu, wie ihre Augen einen anderen Ausdruck annahmen, voll Intelligenz, Stärke, Verbindlichkeit und einer so wütenden Zielstrebigkeit, dass sie ihr aus allen Poren drängte. Ich begriff augenblicklich, warum Richard sich für sie interessiert hatte, und war froh, dass sie ein Mensch war, dass er mit ihr nicht ins Bett gehen würde. Ich brauchte sie nur anzuschauen und wusste, dass sie Probleme bedeutete. Darin bestand die wirkliche Gefahr seiner wechselnden Affären: nicht im Sex, obwohl mir das schwer zu schaffen machte, sondern dass er nicht befriedigt und weiter auf der Suche war. Wer lange genug sucht, findet schließlich, was er braucht.
Es war mir unangenehm, dass ich diese Frau anstarrte, die offensichtlich litt, und dabei an meine eigenen Probleme dachte. Es gefiel mir auch nicht, dass ich sie ein bisschen fürchtete. Ich meine, ich war auch ein Mensch, und er war mit mir im Bett gewesen. Dass ich vor allem anderen daran dachte, war mir zuwider. Ziemlich zuwider.
Sie begann sich von Richard wegzuschieben. »Nehmt auf mich keine Rücksicht«, sagte ich, und es klang trocken und sarkastisch. Gut, besser als verletzt und hilflos.
Richard sah mich an. Ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten und sorgte dafür, dass meiner freundlich wirkte und nichts preisgab.
Dr. Carrie Onslow warf ihm einen stirnrunzelnden Blick zu, dann löste sie sich endgültig von ihm und lehnte sich an den Baum. Zwischen ihren Augen hatten sich kleine Falten gebildet, und sie sah immer wieder zwischen uns hin und her, als wäre sie ratlos und deswegen ungehalten.
»Was ist passiert, Carrie?«, fragte Richard noch einmal.
»Wir sind heute kurz vor Sonnenaufgang aufgebrochen wie immer.« Sie stockte und starrte in ihren Schoß, dann holte sie zitternd Luft. Drei Atemzüge, und es schien wieder zu gehen. »Wir haben eine Leiche gefunden.«
»Wieder einen Wanderer?«
Sie sah nur kurz zu mir auf, als wollte sie bei dieser Geschichte keinen Blickkontakt. »Vielleicht, es war unmöglich zu sagen. Aber es war eine Frau, und mehr ...« Ihre Stimme versagte. In ihren kleinen Augen glänzten neue Tränen. »Ich habe noch nie etwas so Schreckliches gesehen. Die Polizei behauptet, unsere Trolle hätten das getan. Das sei der Beweis, dass auch, der Wanderer durch Trolle umgekommen ist.«
»Der Kleine Smokey-Mountain-Troll ist kein Jäger und reißt keine Menschen«, sagte ich.
Sie sah mich an. »Aber irgendetwas hat es getan. Die Staatspolizei wollte meine fachliche Meinung hören, welches Tier es gewesen sein kann, wenn nicht die Trolle.« Sie barg das Gesicht in den Händen, dann tauchte sie daraus hervor wie aus einem tiefen Gewässer. »Ich habe mir die Bisse angesehen. Sie stammen von einem Primaten.«
»Einem Menschen?«, fragte ich nach.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich glaube es nicht. Die Zähne eines Menschen könnten nicht solche Wunden reißen.« Sie zitterte trotz der Hitze. »Sie werden das benutzen, um Jäger auf die Trolle anzusetzen. Ich sehe nicht, wie wir sie davon abhalten können, die Trolle abzuschießen oder in Zoos zu verfrachten.«
»Unsere Trolle haben keine Menschen getötet«, behauptete Richard und fasste sie dabei an der Schulter. »Irgendetwas hat das getan, Richard. Und es war kein Wolf oder Bär oder irgendein großes Raubtier, das ich kenne.« »Haben Sie eben gesagt, dass die Staatspolizei am Tatort ist?«, fragte ich.
Sie sah zu mir hoch. »Ja.« »Haben Sie sie gerufen?« Sie schüttelte den Kopf. »Sie kamen kurz nach der örtlichen Polizei.«
Ich hätte zu gern gewusst, wer die angerufen hatte. Andererseits war es normal, dass die Ortspolizei sie verständigte, sobald sie von einem Mord ausging.
»Wurde die Leiche in der Nähe eines Friedhofs gefunden?«, fragte ich. Dr. Onslow schüttelte den Kopf. »Wieso?«, fragte Richard.
»Es könnten Ghule gewesen sein. Normalerweise sind sie ziemlich feige, aber
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